Freitag, 30. Oktober 2009

TGV zwischen Paris und Berlin?

Das Bahnfahren zwischen Deutschland und Frankreich könnte künftig sehr viel schneller und bequemer werden. Die SNCF plant nach diesem Bericht der Berliner Morgenpost, eine Schnellverbindung zwischen Paris und Berlin, die weitergeht nach Hamburg. Das verlockt zum Träumen. Wenn der TGV über 300 km/h zurücklegt, wäre man in drei Stunden in Paris! Leider dürfte das an den deutschen Gleisen scheitern, die nicht für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt sind und außerdem durch das Sparprogramm der Bahn vernachlässigt wurden. Aber selbst eine Reisezeit von fünf oder sechs Stunden wäre ja noch auszuhalten....

Donnerstag, 29. Oktober 2009

Angelas Abendessen im Élysée



Kaum gewählt, stieg Angela Merkel in den Flieger nach Paris. "Chère Angela" nahm das Abendessen, dessen Speisenfolge leider nicht bekannt ist, bei Freund Nicolas im Élysée-Palast ein. Nebenbei parlierte man über den bevorstehenden EU-Gipfel, das Koalitionsprogramm und gemeinsame Projekte für den Jugendaustausch. Hier die gemeinsame Pressekonferenz
Foto: Élysée

Bonne anniversaire, Asterix!

Am 29. Oktober 1959 erblickte der streitsüchtige kleine Gallier in der Zeitschrift Pilote das Licht der Welt. Eigentlich hatte sein Schöpfer Albert Uderzo einen echten Superman im Kopf, doch der Texter René Goscinny wünschte sich einen witzigen Antihelden. Der nimmt nun schon im  34. Band den Kampf gegen die Römer auf, allerdings in der Neuzeit. Außerdem wird der Mann mit den Federn in dieser Woche pompös gefeiert.

Freitag, 23. Oktober 2009

Tunesien: Die Schattenseiten des Urlaubsparadieses


Am Sonntag wählen die Tunesier ihren Präsidenten und ihr neues Parlament. Mit Überraschungen rechnet allerdings niemand. Der bisherige Präsident Ben Ali wird nach Umfragen mit allergrößter Wahrscheinlichkeit wiedergewählt. Seit 1987 regiert der heute 73-Jährige das nordafrikanische Land. Nur einem der drei Gegenkandidaten, dem Ex-Kommunisten Ahmed Brahim werden Chancen eingeräumt. Er beklagte allerdings massive Behinderungen. Zu seinen Terminen erscheint kein einziger Journalist, nicht einmal sein Parteiprogramm konnte er veröffentlichen. Hier der RFI-Bericht
Tausende Deutsche Touristen, die Jahr für Jahr Strände, Oasen und Basare in dem beliebten Reiseland besuchen, zeigt Tunesien nur seine Sonnenseite. In einem Interview mit der Taz beklagt die Journalistin Sihem Bensedrine allerdings, dass die Opossition noch wesentlich stärker unterdrückt werde, als im Iran. So seien in Tunesien keine Demonstrationen möglich und die Überwachung durch die Polizei allgegenwärtig. Journalisten werden verhaftet, Material beschlagnahmt und Büros von unliebsamen Medien geschlossen. Hier das Interview, das die Schattenseiten des nordafrikanischen Landes offenbart:http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/schlimmer-als-im-iran/ .

Mittwoch, 21. Oktober 2009

La Superbe - Neues Album von Benjamin Biolay


Er wird gehasst und geliebt. Benjamin Biolay hat im Internet fast ebenso viele glühende Bewunderer wie entschiedene Gegner. Doch nicht einmal die können abstreiten, dass er sich seit seinem ersten Album "Rose Kennedy" einen wichtigen Platz in der "nouvelle scène" des französischen Chansons ersungen hat.
Auf seinem neuen Album La Superbe, von dem auf der Internetseite http://www.benjaminbiolay.com/ zwei Titel zu hören sind, beschreibt er den Lebenszyklus der Liebe. Seine poetischen Texte schildern das Kennenlernen, die Momente des Verliebtseins und wie die Amour fou böse endet. In 22 Liedern spielt sich die Handlung ab, das Album ist wie ein Drehbuch konzipiert, das eine Geschichte erzählt. Es ist ein sehr persönliches Album, verrät er in einem Interview.
Vor zwei Jahren hat sich der 1973 in der Nähe von Lyon geborene Sänger von seiner Frau Chiara Mastroianni getrennt. In einem Interview berichtet er von einer schweren Zeit, die er seither durchlebt hat. Depressionen ließen ihn zur Flasche und diversen Drogen greifen. Seine Schimpftiraden auf andere Musikgrößen im benebelten Zustand haben ihn in der Szene nicht unbedingt beliebter werden lassen. Musikalisch inspiriert sich Biolay am französischen Chanson, Serge Gainsbourg, den Beatles, Rappern und lateinamerikanischen Rhytmen. Seit dem letzten Album Merco Benz scheint das enfant terrible reifer und reflektierter geworden zu sein, seine Musik ruhiger und doch unbedingt wert, gehört zu werden.
Die persönliche Seite mit Blog und Konzertterminen: http://www.myspace.com/benjaminbiolay

Dienstag, 20. Oktober 2009

Wie Frankreich gegen die Schweinegrippe kämpft

Die Franzosen mokieren sich zwar über die neue Superbehörde zu Bekämpfung von Gesundheitsgefahren Eprus, die jetzt die Impfung gegen die Schweinegrippe generalstabsmäßig organisiert. Doch bislang klingt deren Konzept wesentlich schlüssiger und durchdachter als das deutsche. In Deutschland soll die gemeine Bevölkerung mit einem Impfstoff behandelt werden, der Wirkverstärker, sogenannte Adjuvanten, und ein Konservierungsmittel enthält. Beide können Nebenwirkungen auslösen und sind vor allem bei Schwangeren und Kleinkindern nicht ausreichend getestet worden. Erst jetzt gibt es Überlegungen, für diese Risikogruppen einen anderen Impfstoff zu bestellen.
In Frankreich ist die Superbehörde weitsichtiger vorgegangen. Ab heute werden Mitarbeiter des Gesundheitswesens geimpft und dann nach und nach die Risikogruppen und der Rest der Bevölkerung in 1200 Impfzentrum überall in Frankreich. Für Schwangere und Kleinkinder wurde ein anderer Impfstoff ohne die riskanten Zusätze bestellt, während in Deutschland nur die Regierungsmitglieder eine Extra-Behandlung bekommen sollten.
Impfaktion

Französische Revolution kurbelte die Wirtschaft an

Ausgerechnet Havard oder MIT-Professoren gelten nicht gerade als linke Revoluzzer. Und doch preisen jetzt vier Wissenschaftler den Sturm auf die Bastille. Denn mit Mitteln der Ökonometrie haben sie, wie das Handelsblatt berichtet, die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Ereignisse untersucht. Dabei verglichen sie die Daten aus Frankreich, von französisch besetzten Gebieten und anderen europäischen Regionen. In besetzen Regionen wie dem Rheinland gab es wesentlich mehr Reformen und mehr Menschen lebten in Städten als beispielsweise in Bayern. Das gilt als Zeichen einer höheren Produktivität. Dass die Privilegien des Adels, die Leibeigenschaft und Zünfte abgeschafft wurden, wirkte nach Ansicht der Forscher wie ein Konjunkturmotor.

Bericht im Handelsblatt

Montag, 19. Oktober 2009

Ein Hauch von Monarchie

Sonnenkönig Sarkozy überschreibt die Süddeutsche ihren heutigen Kommentar über den französischen Präsidenten: Kommenar
Zwar habe Nicolas Sarkozy in den ersten zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit viele Reformen eingeleitet, den EU-Reformvertrag wieder auf den Weg gebracht und die deutsch-französischen Beziehungen neu belebt. Doch die Kandidatur des völlig unerfahrenen Präsidentensohns als Chef der mächtigen Behörde Epad sei ein Zeichen von Realitätsverlust. Denn die Wahl des UMP-Kandidaten ist wegen der Stimmenmehrheit der UMP so gut wie sicher, der Posten gilt als Sprungbrett für das höchste Staatsamt.
Ein Hauch von Monarchie weht wieder durch den Elysée-Palast, so der Kommentator. Man erinnere sich an den Staatsstreich von Louis-Napoléon Bonaparte 1851. Der Neffe von Napoléon I. rief seine Vertrauten zusammen und präsentierte einen Ordner mit der Aufschrift "Rubicon", der die Befehle für den Staatsstreich erhielt. Er krönte sich zum Kaiser Napoléon III. und rief das II. Kaiserreich aus, das 1870 nach der verlorenen Schlacht von Sédan endete. Le Second empire. Er selbst geriet in Kriegsgefangenschaft, bevor er nach Großbritannien emigrierte und vergeblich neue Pläne für einen Staatsstreich schmiedete. Er war der (bislang) letzte Monarch Frankreichs.
Die Franzosen sind "Monarchisten und Königsmörder", hatte Sarkozy vor einigen Jahren gesagt. Daran sollte er sich gelegentlich erinnern.

Freitag, 16. Oktober 2009

Vergessenes Plutonium im Abrisshaus


Im Kernforschungszentrum Cadarache bei Aix-en-Provence wurde ein überraschender Fund gemacht. 22 Kilogramm Plutonium lagerte in mehreren Gebäuden, die eigentlich abgerissen werden sollen. Der Betreiber Areva hatte mit maximal acht Kilogramm gerechnet. Wie der strahlende Abfall sich so vergrößern konnte, ist unklar. Eigentlich muss jedes Gramm genau registriert werden. Experten gehen davon aus, dass aus dem Material mindestens fünf Atombomben gebaut werden könnten. Die Atomaufsicht spricht von einem Vorfall der Stufe zwei der Störfälle, die bis acht gehen. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft.


Telezapping

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Mc Donalds zieht in den Louvre

Die Mona Lisa ist gar nicht Mona Lisa, berichten die Zeitungen und obendrein zieht Mc Donalds in den Louvre. Die "Malbouffe", wie die Franzosen die Kost der Schnellrestaurants nennen, zieht zwar nicht ins Museum, sondern in die unterirdische Shoppinggalerie. Zum 30. Jahrestag des Unternehmens in Frankreich wollten die Manager nun wohl ins Herz der französischen Hauptstadt vorstoßen. So richtig beliebt waren sie im Land von Bocuse & Co. nie. Doch die Zeiten, als José Bové, Anschläge auf die Abfütterkette verübte sind vorbei.
Zwar sind die Pariser nicht gerade begeistert. Doch mit einer einfachen Internetseite "Louvre pour tous" hält sich die Empörung in Grenzen. Nach Meinung der Kritiker sollten in der Shoppingmeile Caroussel unter dem Louvre nur Läden angesiedelt werden, die zum Charakter des wichtigsten Museums passen. Und da gehört der amerikanische Schnellimbiss eindeutig nicht dazu.
Protestseite

Gallimard verlegt Herta Müller - endlich wieder ein Bestseller aus Allemagne?

Schon vor einem Monat hat der Verlag Gallimard wohl ein gutes Geschäft gemacht. Die Verleger erwarben die Buchrechte am Roman Atemschaukel einer relativ unbekannten deutschsprachigen Autorin aus Rumänien namens Herta Müller. Als die 53-Jährige mit dem Nobelpreis geehrt wurde, dürfte auch in Paris der Champagner entkorkt worden sein. Ende 2010 soll Atemschaukel auf französisch erscheinen, ob der Titel "balancoire du souffle" beibehalten wird, ist noch nicht entschieden. In jedem Fall dürfte das Buch der Nobelpreisträgerin Chancen auf einen Platz in der Bestsellerliste haben, wo nur selten ein Werk der deutschen Gegenwartsliteratur landet.
Bei der "rentrée littéraire" ist immerhin Julia Franck mit ihrem Buch Mittagsfrau vertreten, für das es aber noch keine Verkaufszahlen gibt. In diesem Jahr war Bernhard Schlinks Vorleser ein Verkaufsschlager. Nach der Verfilmung ging das Buch in Frankreich 500 000 Mal über den Ladentisch. Die beliebtesten Schriftsteller bleiben jedoch die Klassiker wie Stefan Zweig oder Alfred Döblin. Gerade wurde Berlin-Alexanderplatz neu übersetzt und kam in zweiter Auflage heraus. Auch an Neuauflagen von Freud und Schopenhauer arbeiten derzeit Übersetzer für Neuauflagen.
Verlag Folio

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Vetternwirtschaft à la Sarkozy

Die französische Blogosphäre hat einen neuen Antihelden. Jean Sarkozy, 23, Jurastudent im zweiten Studienjahr beschäftigt die Internauten. Der Präsidentensohn hat Ambitionen auf den Chefposten der Epad verkündet. Die Gesellschaft verwaltet das futuristische Geschäftsviertel vor den Toren von Paris, wo 2500 Unternehmen mit 150 000 Mitarbeitern ansässig sind. Da der Chef der Behörde von den Abgeordneten des Départements Hauts-de-Seine gewählt wird und die UMP dort eine satte Mehrheit hat, dürfte der Blitzkarrierre kaum noch etwas im Wege stehen. Im vorigen Jahr wurde Jean Sarkozy in Neuilly zum jüngsten Département-Abgeordneten gewählt und avancierte dann zum Fraktionschef.
Die Linke kritisiert die Vetternwirtschaft. Ausgerechnet am gleichen Tag hatte Nicolas Sarkozy in einem Gymnasium davon gesprochen, dass nicht mehr die Herkunft, sondern die Leistungen zählen sollten. Doch wenn es um seinen Sohn geht, macht er offenbar eine Ausnahme.
Francois Bayrou, Chef der liberalen Partei Modem, sieht einen Nepotismus wie im Alten Rom. Die linke Zeitung Humanité vergleicht das Département mit einem Fürstentum in vorrevolutionären Zeiten.
Die Blogger hingegen spotten über den "kleinen Prinzen". So kursieren unter dem Stichwort jeansarkozypartout die kuriosesten Meldungen über immer neue Jobangebote. Ein Modem-Abgeordneter hat eine Petition lanciert, die über 42 000 Unterschriften gegen die Kandidatur sammelte, bevor die Seite zusammenbrach.
http://www.lemonde.fr/politique/article/2009/10/14/l-affaire-jean-sarkozy-est-symbolique-d-une-culture-monarchiste_1253629_823448.html#ens_id=1052464

Dienstag, 13. Oktober 2009

Louise hires a contract killer: Eine absolut sehenswerte anarchistische Komödie
















Die Karrikatur einer Heuschrecke liegt im Liegestuhl am Pool seiner schlossartigen Villa auf Jersey, als eine Unbekannte vor ihm steht, Louise, Arbeiterin in einer Textilfabrik, die er schließen liess. Unwillig unterbricht das Stakkato "buy, sell, buy, sell", das er in sein Mikrofon bellt. Für die Besucherin hat er nur ein hämisches Lachen. Doch das vergeht ihm schnell in der anarchistischen Komödie Louise hires a contract killer der beiden Regisseure Benoît Delépine und Gustave Kevern .
Trotz der phantasielosen Übersetzung des Originaltitels Louise Michel, der an die gleichnamige französische Anarchistin erinnert, ist der Film absolut sehenswert. Es geht um ein aktuelles Thema, das derzeit viele französische Arbeiter trifft und das auf Gegenwehr stößt: die Schließung von Fabriken.
Im Film beschwichtigen die Manager die Arbeiterinnen einer Textilfabrik in der Picardie mit neuen Kitteln, wo die Namen als "Zeichen der Wertschätzung" eingestickt sind. Doch das Geschenk sollte nur für Ruhe sorgen bis die Maschinen abtransportiert werden. Am Morgen danach stehen die Arbeiterinnen in der leeren Halle. Eine kleine Abfindung steht in Aussicht. Was tun, wenn alle zusammenlegen, fragen sie sich Ausgemusterten. "Wie wäre es mit einem Profikiller, um den Chef umzulegen", fragt Louise, die von der herausragenden belgischen Schauspielerin Yolande Moreau gespielt wird. Die Gangsterkomödie nimmt ihren Lauf. Denn Louise ist nicht, was sie scheint, ebenso wenig wie der mit dem Mord beauftragte Michel (Bouli Lanners), der bereits am Auftrag, den Nachbarsdackel zur Ruhe zu bringen, grandios scheitert. Doch Louise hat eine Vorgeschichte und ist entschlossen. Von der Picardie bricht das Pärchen nach Brüssel und dann nach Jersey auf, bizarre Begegnungen und abstruse Ereigisse liegen auf ihrem Weg und geben dem Film einen Hauch von Surrealismus. Am Ende wartet noch eine Überraschung.

Freitag, 9. Oktober 2009

“Je suis un ouvrier du journalisme”

Was ist eigentlich ein "pigiste", fragt der Journalistenverband DJV auf seiner Seite. Übersetzt ist ein Pigist so etwas wie ein Pauschalist in deutschen Medien,
allerdings gelten in Frankreich ganz eigene arbeitsrechtliche Bestimmungen. Während der Pauschalist in Deutschland meist selbstständig ist, hat ein Pigiste ähnliche Konditionen wie ein Festangestellter. In Deutschland kann es attraktiv sein, ganz frei zu arbeiten. In Frankreich sind die Honorarsätze wesentlich niedriger. Ein Pigiste der Dauphiné beschreibt hier seine Arbeitsbedingungen:
“Je suis un ouvrier du journalisme”

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Mademoiselle Vromant und ihr unglaubliches Testament

Die gebrechliche alte Dame mit dem weißen Regenmantel und den beiden Stöcken lebte Zeit ihres Lebens sehr bescheiden in ihrer kleinen Wohnung in Dieppes in Nordfrankreich. Niemand wusste, dass Jeannine Vromant sehr wohlhabend war, bis nach ihrem Tod. Denn in ihrem Testamant hat sie 200 Erben bedacht, von denen jeder 1500 Euro aus ihrem Vermögen erhalten soll. "Sie hat die Menschen bedacht, denen sie sich nahefühlte oder deren liebevolle Art ihr gegenüber sie geschätzt hatte", sagt ihr Notar, in dessen Büro sie früher einmal als Immobilienmaklerin gearbeitet hatte.
Mehrere Jahre lang arbeitete die alte Dame an einer Liste der guten Menschen, die sie bedenken wollte. Sie setzte alle Busfahrer der örtlichen Verkehrsgesellschaft als Erben ein. "Ich bin fast blind und fast alle Busfahrer waren so liebenswürdig, neben mir anzuhalten, wenn sie mich sahen. Nochmals Danke an sie", schrieb sie an "mes petits chauffeurs" und setzte noch hinzu: "Falls sich jemand nicht an mich erinnert: Ich war die alte Dame mit den beiden weißen Stöcken und dem weißen Regenmantel".  Auch ihre Fleischverkäuferin, Krankenschwestern, Arzthelferinnen, Verwaltungsmitarbeiter und die Kinder ehemaliger Kollegen hat sie aufgeführt, ebenso wie eine wiederentdeckte Großcousine.
Nahe Verwandte besaß die 1922 geborene alte Dame nicht. Sie war nie verheiratet und hatte keine Kinder. Ihr Vermögen erbte sie von ihrem Vater, einem Unternehmer. Sie selbst lebte bescheiden in einer winzigen Wohnung in einem ärmlichen Viertel. 2004 hatte sie ihre Liste abgeschlossen und hinterlegte sie bei dem Notar. Der nach dem Tod der 86-Jährigen die vielen Namen und welche Arbeit auf ihn zukommt. Denn in einigen Fällen waren längere Recherchen nötig, um den richtigen Adressaten zu finden. Bislang sind 120 der  liebenswürdigen Bekanntschaften gefunden, nach den anderen sucht der Notar noch.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Die Rückkehr des Meeres am Mont Saint Michel

Wie eine Fata Morgana ragt der sagenumwobene Berg aus dem Wattenmeer empor. Der Mont Saint Michel vor der normannischen Küste ist die berühmteste Sehenswürdigkeit Frankreichs, noch vor dem Eiffelturm. Doch der Straßendamm, der zur Unesco-Weltkulturerbestätte führt, hat in das Ökosystem der Bucht erheblich eingegriffen und ließ den Berg mehr und mehr versanden. Nur noch selten wird er heute vom Meer umtost, wie es die Sagen und viele Schriftsteller von einst beschreiben. Deshalb haben die Region und die benachbarten Kommunen beschlossen, die Bucht zu renaturieren. Vor zwei Wochen öffnete ein neuer Staudamm, der den Klosterberg in den kommenden Jahren freispülen soll und das Watt in Watt verwandeln. Bei Flut soll dieser Damm die Schleusen öffnen und das Meerwasser  bis in den Unterlauf des Flusses Couesnon fließen. Danach bleiben die Schleusen bis zur Ebbe geschlossen, um dann die Wassermassen in die Bucht tosen zu lassen. Sie sollen in den nächsten Jahren die angelagerten Sedimente wegspülen und dem Berg seine ursprüngliche Schönheit wiedergeben. Auch der Straßendamm und der Parkplatz verschwinden. Pferdefuhrwerke sollen künftig die Besucher zur Insel fahren.
Immerhin drei Millionen Touristen strömen jährlich zum "Wunder des Abendlandes".
Schon im Jahr 708 soll das erste Kirchlein auf dem Eiland gebaut worden sein. Eine Sturmflut hatte der Küste das kleine Erdzipfelchen entrissen und der dort regierende Erzbischhof von Avranches bekam nächtlichen Besuch vom Erzengel Michael, der sich dort eine Kirche wünschte. Er musste allerdings ein zweites Mal erscheinen und dem Bischhof einen glühenden Finger an den Schädel stoßen, um seinen Wunsch erfüllt zu sehen. Die heutige weit sichtbare Abteikirche entstand im 11. Jahrhundert, bis ins 18. Jahrhunder wurde das Ensemble aus Kirchen und Wohngebäuden zu seiner heutigen Form vervollständigt. Die Benediktiner siedelten auf der Insel ihr Kloster an, das bis zur révolution francaise dort bestand. Millionen von Pilgern wateten durch das Watt zur heiligen Stätte. Nach 1789 wurde das Eiland Staatsgefängnis und später für den Tourismus entdeckt.
Mittlerweile lebt wieder eine kleine Kostergemeinschaft der "Brüder und Schwestern von Jerusalem" auf der Insel neben rund 40 ständigen Einwohnern. Die Souvenirläden und Restaurants in den mittelalterlichen Straßen gehören drei Großfamilien, die an den Besucherströmen prächtig verdienen. Eine Alternative ist ein Besuch in der Klostergemeinschaft (Link ins Kloster), allerdings nur für Frühaufsteher, die um 6.30 zur Messe gehen und tagelang schweigen können.

Montag, 5. Oktober 2009

Nuit blanche in Paris















Eine "nuit blanche" zu verbringen, bedeutet so viel, wie die Nacht zum Tage zu machen. Der Ausdruck kann vermutlich auf die Tempelritter zurückgeführt werden, schreibt zumindest Wikipedia: (Bedeutung). Mittlerweile steht der Begriff jedoch für ein Kulturereignis, das Paris seit 2002 einmal im Jahr erleuchtet, so wie am vergangenen Wochenende. Lichtkünstler erschaffen die erstaunlichsten Impressionen inmitten der Nacht und bis man die alle angesehen hat, ist die Nacht auch schon wieder vorbei. 30 offizielle Lichtinstallationen und 60 weitere Kunstprojekte waren in diesem Jahr zu sehen - zum Beispiel eine überdimensionierte strahlende Kugel über dem Jardin du Luxembourg oder ein hügeliges Fußballfeld, dass aussah, wie aus dem Elfenreich. Über eineinhalb Millionen Besucher sahen sich die Kunstwerke an. Mehr dazu im Netz: La nuit Blanche sur internet
Foto: Marie de Paris

Samstag, 3. Oktober 2009

Mit der Riesin durch die Stadt


In einem Liegestuhl schlummert die kleine Riesin vor sich hin, nur ihr Mund öffnet sich gelegentlich und man meint ein leichtes Schnarchen zu hören. Dann ein erstes Blinzeln, bevor sie schließlich geweckt wird. Sie zu bewegen, ist wesentlich schwieriger, als einen Airbus zum Abheben zu bringen. Der braucht schließlich nur einen einzigen Piloten. Für die kleine Riesin sind 20 Puppenspieler im Einsatz.


Eine Regisseurin gibt die Kommandos nach denen die Strippen an die verschiedenen  Körperteile angeschlossen: die Hüften, die Schultern, der Kopf, die Ellebogen, die Knie, die Knöchel, die Hände.
Kurz hintereinander verliest sie sämtliche Körperteile, mit schnellen und wohl schon vielfach geübten Griffen stecken die Puppenspieler nacheinander die Verbindungen an.


Ein wenig taumelig erhebt sich die Riesin, klimpert noch schläfrig mit den Augen und wird dann per Kran unter die Dusche gehoben. Es sieht wirklich menschlich aus, wie sie mit den Händen ganz gründlich die Haare wäscht.

Um diese Bewegungen zu vollführen, müssen die Puppenspieler springen, rennen, sich strecken und blitzschnell auf dem Gerüst hin- und herklettern. Zwei von ihnen tragen die Riesenschuhe, die sie zu fünft mit Söckchen an die Riesenfüße ziehen.

 


 Das Laufen verlangt eine enorme Koordination. Die Regisseurin ruft den Puppenspielern Fuß links, Fuß rechts und die Bewegungen der einzelnen Gliedmaßen in schneller Folge zu. Helfer gehen voran und versuchen, die Straße frei zu bekommen. Es geht vorbei an dem Geysir, der unter den Linden schlummert.

Eine kleine Gymnastikstunde steht auf dem Programm, mehrere kleine Ruhepausen. In der Friedrichstraße nimmt die Riesin auf einem Autodach Platz und wird eine längere Strecke gefahren. Dann darf sie Boot fahren. Danach gibt es einen Lutscher, den sie mit eigener Hand an den Mund führt. Fünf Puppenspieler ziehen an den Strippen, damit die Riesin greifen, den Lutscher zum Mund heben und daran lecken kann. Gleichzeitig atmet sie und zwinkert.
Ein Kran liftet sie einige Meter weiter auf ihr Schiff, das auf einem Tieflader befördert wird....und sie verschwand aus meinen Augen.

Nachmittags fand sie vor dem Brandenburger Tor ihren Onkel wieder und umarmte ihn. Gesehen habe ich es leider nur im Fernsehen. Wegen der Terrordrohungen war alles abgezäunt und als ich mit etwas Verspätung ankam, hörte ich nur die Ansage, dass "alle Kontrollstellen wegen Überfüllung geschlossen sind".

Freitag, 2. Oktober 2009

Nazijägerin Beate Klarsfeld - Verfilmung auf Arte

Das Leben schreibt die besten Thriller, beispielsweise das von Beate und Serge Klarsfeld. Arte zeigt heute um 21 Uhr die verfilmte Lebensgeschichte der Nazijäger mit Franka Potente und Yvan Atal.
Beate Klarsfeld wurde bekannt, als sie am 7. November 1968 den damaligen Bundeskanzler Kiesinger ohrfeigte. Damit hatte sie gegen die Rückkehr aktiver Nazis auf wichtige Posten und die damals kaum reflektierte Vergangenheit protestieren wollen. "Nazi Kiesinger Rücktritt", schrie sie medienwirksam.
Bis damals gab es kaum eine Aufarbeitung des Holocaust in Deutschland, mit Kiesinger war sogar ein aktiver Nazi zum Bundeskanzler gewählt worden. Auch in Frankreich blieb die große Aufklärung aus, schließlich pflegte man wieder freundliche Beziehungen.
Beate Klarsfeld, die 1939 in Berlin geboren wurde, lebt seit 1960 in Frankreich. Dort trifft sie ihren späteren Mann Serge, dessen Vater deportiert wurde und erfährt von den unbehelligt in Südamerika lebenden Naziverbrechern. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach dem Schlächtervon Lyon, Klaus Barbie, der 1983 nach zwölf Jahren nach Frankreich ausgeliefert und verurteilt wird. In den 70er Jahren wurden zwei erfolglose Bombenattentate auf die Nazijägerin verübt. Das Foto von der Ohrfeige hängt heute im Deutschen Historischen Museum in Bonn, die Nazijäger haben für ihre Arbeit den "Ritter der Ehrenlegion" erhalten.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Riesenhaftes Straßentheater von Royal de luxe ab morgen in Berlin

Die Riesen sind da. Am Schloßplatz sprudelt schon der Geysir, der von ihrer Ankunft kündet. Hier das Vorzeichen. Noch trainieren die beiden Hauptdarsteller in einem Flughafenhangar. Morgen um zehn wird die kleine Riesin am Roten Rathaus erwartet. Sie spaziert dann zum Bebelplatz und am Nachmittag von dort zum Lustgarten. Es ist ein Ereignis, das man nicht verpassen sollte. Die aus recycleten Materialien gefertigten Marionnetten sind wahre Kunstwerke, die sich trotz ihrer Größe unglaublich natürlich bewegen können. Dabei sind allein das Laufen, das Eisschlecken oder Wimpernklimpern logistische Meisterleistungen von mehreren Dutzend Lilliputanern. Dazu kommen noch weitere spektakuläre Aktionen wie Bootsfahrten oder die Umarmung der siebeneinhalb Meter hohen Kleinen Riesin mit dem doppelt so großen Tiefseetaucher am Sonnabend am Brandenburger Tor.
Hier sind die Karten für Riesen-Beobachter:
Karte für Riesenverfolger