Mittwoch, 7. Juli 2010

Bettencourt-Dynastie - eine schrecklich nette Familie

Mit ihren mehr oder weniger dicken Umschlägen voller Geldscheine hat die schrecklich nette Familie Bettencourt die Regierung in Bedrängnis gebracht. Bislang lebten die Erben der L'Oréal Dynastie weitgehend im verborgenen, doch das hat sich durch die jüngsten Skandale gründlich geändert.
Die Affäre kam durch einen Entmündigungsprozess der Tochter Francoise gegen die 87-Jährige Mutter Liliane Bettencourt ins Rollen. Fast eine Milliarde Euro hatte die alte Damen einem Fotographen vermacht, der bereits in der Vergangenheit enge Beziehungen zu einsamen älteren Menschen mit einigen Milliönchen auf dem Konto gepflegt hatte. Für die ältere Dame war dies jedoch nur eine kleinere Aufmerksamkeit, schließlich steht die Erbin mit ihrem Vermögen von etwa 20 Milliarden Dollar an der 17. Stelle der reichsten Menschen der Welt. Um ihre Umnachtung zu beweisen, hatte der ehemalige Butler heimlich sämtliche Gespräche in der Wohnung der Erbin aufgezeichnet, darunter Unterhaltungen über Geldgeschenke an Politiker, Schwarzgeldkonten und illegale Steuersparmodelle. Ob die Tochter ihre Mutter heimlich belauschen liess, ist offen. Die Bänder landeten bei der Polizei, durch Zeugenaussagen einer Buchhalterin kamen Sarkozy und andere rechte Politiker ins Zwielicht.
Schon immer pflegten die Konzerngründer enge Bande zur Politik und waren dabei nicht immer zimperlich. Der Unternehmensgründer Eugène Schueller stand während der Besatzung dem rechten Rassemblement national populaire nah und verfasste glühende Schriften über die von ihm bewunderten Nazis. Er verkehrte mit der Cagoule, einer rechten Gruppierung, die auch Terroranschläge ausführte (Bekanntestes Mitglied: Francois Mitterand, der auch erst später zur Resistance fand). Erst gegen Ende der Besatzung nähert sich Schueller der Resistance an.
Das Geschäft litt kaum unter den politischen Wirren. 1907 hatte Schueller, der es als Sohn eines Bäckers zum Chemieingenieur gebracht hatte, die Firma "l'Auréale" zur Vermarktung eines von ihm patentierten Haarfärbemittels gegründet. Das Unternehmen florierte, denn der Mann aus einfachen Verhältnissen besaß Geschäftssinn. Nach dem Krieg brachte er seine Freunde von früher unter, auch André Bettencourt und Francois Mitterrand. Ersterer wird später sein Schwiegersohn, der auch den weiteren rasanten Aufstieg des Unternehmens begründet. Heute hat die Kosmetikfirma einen Börsenwert zwischen 50 und 60 Milliarden Euro. Auch André Bettencourt ging in die Politik, außerdem empfing er in seinem Haus regelmäßig Präsidenten, Minister und Abgeordnete. Für die gab es regelmäßig einen dicken Umschlag für die Kampagne. Nach seinem Tod im Jahr 2007 setzte seine Gattin die Tradition offenbar fort. Auch Nicolas Sarkozy soll nach Aussagen einer früheren Buchhalterin 2007 Schwarzgeld von der L'Oréal-Dynastie erhalten haben. Ob nach den Enthüllungen jedoch auch ermittelt wird, muss sich noch zeigen.

Dienstag, 6. Juli 2010

Der Präsident und die Geldumschläge der L'Oréal-Dynastie

Eine Serie von Skandalen erschütterte die französische Regierung in den letzten Wochen. Jetzt gerät auch der Präsident Nicolas Sarkozy persönlich unter Druck. Eine ehemalige Buchhalterin der L'Oréal-Dynastie Bettencourt hat nach einem Bericht des Portals Mediapart über üppige Geldgeschenke in Briefumschlägen ausgesagt. Die politische Klasse soll beim vorstorbenen André Bettencourt ein- und ausgegangen sein und dann oft mehr oder weniger dicke Umschläge erhalten haben. Nach ihrer Aussage kam einer der Umschläge mit 150 000 Euro dem Präsidenten Nicolas Sarkozy zugute. 2007 soll ihn der heutige Arbeitsminister Eric Woerth für dessen Kampagne entgegengenommen haben.
Dieser getreue Gefolgsmann des Präsidenten steht bereits unter Beschuss, weil seine Gattin ausgerechnet in der Vermögensverwaltung der Dynastie angeheuert hatte und zwar während der Amtszeit von Eric Woerth als Finanzminister. Unter seiner Verantwortung bekamen die Bettencourts nach der Einführung des bouclier fiscal, der Obergrenze für die Steuerbelastung, eine Rückerstattung von 30 Millionen Euro. Pikant ist außerdem, dass die reichste Familie Frankreichs einen Teil des Vermögens in Steueroasen verschoben hat...

Sonntag, 27. Juni 2010

Berlin - la capitale du joint?

Berlin a ni la beauté de Paris, ni la puissance financière de Londres. Mais la ville mérite toutefois son superlatif : Berlin est en passe de devenir la capitale du joint. Le Sénat de Berlin, gouvernement du Land, a prolongé silencieusement, il y a quelques semaines, l'application d'une directive administrative permettant la possession de 15 grammes de haschich ou d'herbe. À l'exception de Berlin, nulle part en Allemagne il n'est permis de porter sur soi une telle quantité de cannabis. Seule la Tchéquie permet même la possession de 20 grammes.
À Berlin, l'objectif de cette régularisation consiste à libérer des forces policières jusqu'ici occupées à traquer les petits voyous, afin qu'elles puissent démanteler les réseaux de distribution.

La droite allemande a vivement critiqué cette politique mettant en avant les 155 victimes de la drogue, mortes en 2009. La responsable Berlinoise de la prévention contre l'abus de drogue fait également partie des détracteurs de cette politique préférant une limitation à 6 grammes.
En revanche, les petits dealers se réjouissent de cette décision. On les retrouve dans plusieurs parcs comme "Hasenheide" à Neukölln où ils essaient de se montrer discret entre les arbres ne se manifestant qu'en chuchotant les prix dès qu'ils voient d'hypothétiques clients. Si la police entreprend des rafles, ils prétendent être de simples consommateurs. Ils cachent d'autres petits paquets de la drogue dans le parc. En conséquence, la directive berlinoise leur facilite les "affaires".
Par ailleurs, le parlement local de Zurich va encore plus loin : il vient d`adopter un projet de loi sur la régularisation de la vente du haschich. Lors d'un projet-pilote accompagné par des scientifiques, la ville elle-ême vendra du haschich. Après deux ans, les députés discuteront les résultats.
Merci à Mélanie Scalone pour les corrections

Samstag, 26. Juni 2010

Vokabelliste bedingungsloses Grundeinkommen

Für viele Leser naht die Prüfungszeit. Als Service werden ab sofort regelmäßig Vokabellisten veröffentlicht. Die Zusammenstellung der Terminologie zum bedingungslosten Grundeinkommen hat Aurore Montaut erarbeitet, der an dieser Stelle herzlich gedankt sei.


Das bedingungslose Grundeinkommen - L'allocation (f.) universelle et inconditionnelle
Das Bürgergeld (Synomym von Grundeinkommen) - Le revenu citoyen/le revenu social garanti/le revenu d'existence
Hartz 4 - L'allocation Hartz 4
Die Bedürftigkeit - Le besoin, la précarité
Ein existenzsichernder Beitrag - Un revenu d'existence minimum
Die Finanzierbarkeit - Le fait de pouvoir être financé
Die verminderte Arbeitswilligkeit - Une volonté de travailler réduite
Förderung der Untätigkeit - La trappe à inactivité/incitation à rester au chômage
Die Zuwendung - L'allocation
Die Transferleistung - Les transferts sociaux (la redistribution), le revenu de transfert
Die ABM - La mesure en faveur de l'emploi
Die Geringverdiener - La population à faibles revenus
Die Nichtverdiener - La population sans revenus
Der Grundbedarf - Besoins primaires
Die gesellschaftliche Teilhabe - La participation à la vie de société
Der Mindestlohn - Le revenu minimum
Der Verdienstausfall - La perte de revenu
Die Sozialleistungen - Les prestations sociales
Die Grundsicherung - Les minimas sociaux
Die Steuerfreigrenze - Revenu brut mon imposable/Le seuil d'exoneration fiscale
Der Steuerfreibetrag - Le montant non imposable
Der Steuersatz - Le taux d'imposition
Die Bezieher der Zuwendung nicht brandmarken - Ne pas stigmatiser les bénéficiaires de l'allocation
Die neue französische Sozialhilfe - RSA/Revenu de solidarité active
Die Hilfe für Alleinerziehende - API allocation parent isolé
"Arm trotz Arbeit" (VERDI-Kampagne) - Les travailleurs pauvres
Eine Bettlermentalität - Un esprit d'assistanat
Sozial anerkannt werden - Acquérir de la reconnaissance sociale, être socialement reconnu
Die Förderung der Arbeitsaufnahme - L'accompagnement vers l'emploi
Die arbeitswillige Bevölkerung - La population voulant travailler
Die Bezugsberechtigten - Les ayant droits à une aide
Die negative Einkommenssteuer - L`impôt négatif (Milton Friedman) - complète de revenu percu à hauteur d'un certain pourcentage et d'un certain seuil
Die Bedürftigkeitsprüfung - Le contrôle des ressources
Eine Bedürftigkeitsprüfung erfahren - Être l'objet d'une enquête sur la précarité de ses revenus
Die Arbeitsteilung - La répartition du travail
Der Arbeitseinsatz - L'intervention (f.)
Die Umverteilung - La redistribution
Die Lohnkosten - Les coûts salariaux
werktätig - actif

Samstag, 12. Juni 2010

Le Monde: Sarkozy macht Druck gegen Investorentrio

Bis Freitag konnten potenzielle Investoren bei der Tageszeitung Le Monde ihre Gebote als Investoren abgeben. Ein Investorentrio, das noch im Rennen ist, scheint allerdings dem Präsidenten Nicolas Sarkozy nicht genehm zu sein. Libération berichtet von einem Anruf aus dem Elysée und der Einbestellung des Redaktionsdirektors zum Präsidenten. Dieser sprach sich ganz klar gegen das Trio von Mathieu Pigasse von der US-Investmentbank Lazard, Pierre Bergé, ehemaliger Partner des verstorbenen Modeschöpfers Yves Saint Laurent und Telekommunikations-Milliardär Xavier Niel aus. Deren Konsortium wollte 100 Millionen Euro in das Blatt investieren und die Unabhängigkeit nicht antasten.
Sarkozy dürften sie nicht genehm sein, da sie seinem sozialistischen Konkurrenten Dominique Strauss-Kahn nahestehen. In dem Gespräch am Amtssitz des Präsidenten sollen dieser und sein Berater damit gedroht haben, die zugesagte Finanzierung einer staatlichen Bank für die Druckerei zu blockieren. Dabei geht es immerhin um 20 bis 25 Millionen Euro. Für eine konkursbedrohte Zeitung dürfte das eine wirkungsvolle Drohung sein.  

Mittwoch, 9. Juni 2010

Jérôme Kerviel - Der Prozess

Als die Affäre Kerviel bekannt wurde, galt der französische Trader als eine Art Robin Hood, der es den Banken gezeigt hat. Doch die Wirklichkeit ist vielschichtiger. Wurde der junge Mann Opfer eines perversen Systems der Gier oder wurde die Bank Société générale Opfer eines gierigen Bankers? Das soll der Prozess klären, der gerade begonnen hat. Einblicke in die Welt der Handelsräume gibt im Vorfeld die gerade veröffentlichte Biographie des 33-Jährigen.
Er war ein Einzelgänger im schillernden Milieu der Börsenhändler. Ganz anders als viele seiner Kollegen, die elitäre Grand Écoles besucht hatten, kam er nicht mit dem "silbernen Löffel" zur Welt. Als Sohn eines Berufsschullehrers und einer Frisörin wuchs er in eher bescheidenen Verhältnissen in einem kleinen bretonischen Dorf auf. Statt in einer der berühmten Kaderschmieden, studierte er in Quimper, Nantes und Lyon - an Universitäten, die in Frankreich gerade einmal das Türchen zum Back-Office der begehrten Handelsräume öffnen. So auch für Jérôme Kerviel. Durch exzessiven Fleiß hatte er sich nach einigen Jahren dennoch zum Trader hochgearbeitet. Und spielte mit immer größeren Summen. So lange das gigantische Gewinne einbrachte, hatte niemand etwas daran auszusetzen. Als sich ein Milliardenverlust abzeichnete, schritt die Bank ein. Das Gericht wird nun klären müssen, ob der Trader tatsächlich heimlich und aus Eigennutz betrügerisch seine Operationen verschleiert hat. Er hingegen behauptet, dass die Bank sehr wohl informiert war und das Vorgehen geduldet hat. Zwei der berühmtesten französischen Staranwälte - Olivier Metzner und Jean Veil - treten in dem Prozess gegeneinander an.

Sonntag, 2. Mai 2010

Versprich mir den Mond auf Erden

...sinngemäß nach einem französischen Ausdruck "décrocher la lune". Was dieser und 15 andere Redewendungen bedeuten, hat TV5 Monde auf seiner Website liebevoll zeichnen lassen und erklärt. Den wunderschönen französischen Ausdruck "den Mond herunterholen" würde man auf Deutsch als "Himmel auf Erden" umschreiben.

Samstag, 1. Mai 2010

Traduction: Selon Die Zeit un courant nationaliste s'étend en France

Première partie de l´article publié dans DIE ZEIT du 28 avril, écrit par Gero von Randow:

France
Voilà, c'est fini
Dans une France en crise, le nationalisme s'étend. L´Allemagne sert de bouc émissaire


Rien contre les Chinois. Mais c´est déconcertant d´entendre qu´on vient de la « petite Chine ». Cette expression circule actuellement à Paris et vise l'Allemagne qui serait devenue égoïste, le pays des bas salaires ; résolue à exporter. Le pays où la Chancelière aurait adopté le rôle anti-européen de Margaret Thatcher. La « Mutti » admirée est devenue la détestable « Madame Non ». Berlin mettrait Athènes à genoux et aurait toutefois une part de responsabilité dans le désastre : « Les Allemands ont vendu des armes aux Grecs et maintenant ils critiquent leur politique budgétaire », s´est indigné récemment Jean-Michel Quatrepoint, un journaliste économique renommé.

Quelqu'un´un pourrait-il l´informer occasionnellement que l´industrie allemande n´est pas nationalisée ?

C'est lors d'une conférence remarquable que Quatrepoint s'exprimait. L'invitation avait été lancé par la fondation Res Publica présidée par Jean-Pierre Chevènement, ancien ministre socialiste de l'Intérieur puis ministre de la Défense. Des représentants de gauche et de droite étaient venus ; ils ont applaudi frénétiquement Quatrepoint, lorsqu´il exigea qu'une pression soit exercée sur les Allemands. Par exemple en menaçant l´Allemagne de diviser la zone euro: « Nous mettons en place l'eurofranc et l'euromark. » Il ajoutait d'un ton acerbe que la France ne serait plus un vrai partenaire pour certains Allemands, mais essentiellement une destination touristique et que « cet avis était déjà répandu en 1940 ». Chevènement a terminé la réunion en s'exclamant : « Vive la France! »
...
(la 2ième partie suivra)

Donnerstag, 29. April 2010

Frankreich und Deutschland - die Freundschaft kriselt

Die französische Wirtschaftsministerin Lagarde hatte den Anfang gemacht. Sie kritisierte das deutsche Wirtschaftsmodell, das vor allem auf Exporten beruht, ebenso wie angeblich zu niedrige Tarifgehälter. Die Deutschland-Beschimpfung scheint derzeit in Frankreich in Mode zu sein, wie ein Artikel in der heutigen ZEIT auflistet. Dabei geraten die Fakten offenbar aus dem Blickfeld. So liegt Deutschland beispielsweise bei den durchschnittlichen Lohnkosten noch immer weit über dem EU-Durchschnitt, wenn auch hinter Frankreich.  Außerdem werden die Gehälter in Deutschland nicht von oben verordnet, sondern in Tarifverhandlungen festgelegt. Während der Krise haben die deutschen Gewerkschaften zurückgehalten, um Stellenstreichnungen zu vermeiden. Und die Forderung nach "mehr Konsum" in Deutschland hat sich gerade in Griechenland, Portugal und Spanien als gefährlicher Irrweg entpuppt.

Samstag, 24. April 2010

Pariser Zeitungsmacher in Berlin

Wie groß die französische Community in Berlin mittlerweile ist, weiß niemand so genau. Zwischen 10 000 und 30 000 Franzosen sollen nach Schätzung in der Stadt leben. Sie sind die Leserschaft, um die gleich drei französischsprachige Medien werben. In dieser Woche berichtete die Taz über die Arbeit des Magazins ParisBerlin, des Veranstaltungsmagazins BerlinPoche und der Zeitschrift Gazette de Berlin, die bislang im Zweimonatsrhytmus auf Papier erschien und nun nur noch im Internet.

Donnerstag, 22. April 2010

Strickopathen in Paris

Wer meint, dass Stricknadeln allenfalls zu gemütlichen Großmütterchen passen, wird gerade in Paris eines Besseren belehrt. Die "Strickopathinnen", drei Dreißigjährige Künstlerinnen, die sich als "Psychopathinnen des Strickens" ausgeben, gestalten Straßenkunst aus Maschen. Die drei Pariserinnen hatten sich im Internet getroffen und das "Collectif France tricot" begründet, das regelmäßig zu Flashmobs oder Salons mit Nadeln und Wolle aufruft. Die Pionierin der französischen Strickszene lebt jedoch in Berlin. Die Sängerin und Multikünstlerin Francoise Cactus hatte 2005 mit der Strickpuppe Wollita, die sie auf einer Ausstellung vorstellte, die lokale Boulevardpresse in höchste Erregung versetzt. Die BZ schrieb von einem "Skandal". Wollita ist seither Kult. Vive la maille!

Samstag, 17. April 2010

Die Bobos und ihre Zeichnerin: Claire Bretécher wird 70!

70 Kerzen pustet heute Claire Bretécher auf ihrer Geburtstagstorte aus, die bekannte Comiczeichnerin, die Figuren wie "Les frustrées" oder Aggripina erfunden hat. Sie gilt als treffsichere Beobachterin der Bobos, der von  den 68er Jahren bewegten arrivierten Mittelklasse. Hier ihre Bibliographie.
1963 beginnt sie ihre Karriere bei René Goscini, dem Asterix-Erfinder, arbeitet einige Jahre an Tintin-Produktionen mit und weiteren Gemeinschaftsprojekten. 1973 beginnt sie ihre Erfolgsserie "Die Frustrierten", die im Nouvel Observateur und im Eigenverlag als Buchserien entstehen. Damit hat sie ihren ganz eigenen wiederkennbaren zeichnerischen Stil gefunden, bringt jedoch das Leben der Bobos auch sprachlich in ihren witzigen und manchmal absurden Dialogen auf den Punkt. Die Beobachtungen bringen ihr schließlich auch den Titel der "Soziologin des Jahres" ein und die Verfilmung des Lebens ihrer Comicfigur "Aggripina" den heimlichen Titel als französischer Woody Allen. René ReGoscinnyRRené GoscinnyRené Goscinnyené Goscinny

Freitag, 16. April 2010

Verschuldete Tageszeitung Le Monde - Rettung durch Heuschrecke?

Das renommierte französische Blatt "Le Monde" ist hoch verschuldet und kann möglicherweise nur durch den Einstieg von Finanzinvestoren überleben. Damit könnte es auch um die Unabhängigkeit der 1944 gegründeten Zeitung geschehen sein. Seit ihrer Gründung vor 66 Jahren halten die Redakteure, Mitarbeiter der Zeitung und Lesergesellschaften die Mehrheit. Doch weder der Verkauf des Stammgebäudes vor einigen Jahren, noch Sparprogramme konnten die wirtschaftliche Lage stabilisieren.
Nun verhandelt die Geschäftsführung mit der spanischen Prisa-Gruppe (El Pais) und dem italienischen Espresso-Konzern (Repubblica) um eine Aufstockung von deren Anteilen. Allerdings sind die Mitarbeiter dann nur noch Minderheitsgesellschafter. Umstritten ist die Lösung außerdem, weil Prisa gerade mehrheitlich von dem amerikanischen Investmentfonds Liberty übernommen wurde. Zudem hat der Prisa-Chef Cebrian bereits in einem Interview angekündigt, dass die "Unternehmensführung" bei Le Monde verändert werden müsse. Deshalb könnten die Redakteure und sonstigen Mitarbeiter ihr Veto einlegen, allerdings hat das Blatt wegen der hohen Schulden nicht viele andere Optionen. In der Gruppe meutern außerdem die Redakteure von Télérama, der beliebten Fernsehzeitschrift, die zur Gruppe Le Monde gehört. Sie beklagen, schon seit Jahren als "Sparschwein" für die Tageszeitung herhalten zu müssen. Die Redakteure wollen ihr Blatt am liebsten von Le Monde abnabeln.

Donnerstag, 15. April 2010

Ursula Bretzel - die Parodie der Parodie

Nach Helmut Fritz kommt Ursula Bretzel, die Parodie der Parodie: Hier der Clip . Statt "Ca m´énerve" wie der falsche Deutsche, singt sie zur gleichen Melodie "Ca m´exite", die vertonte Geschichte der "amerikanischen Austauschschülerin", die in die Villa in Cannes zur Drogenpartie geladen wird, Champagner schlürft und Brad Pitt verfolgt. Mindestens ebenso witzig wie der nicht ganz echte Norddeutsche...
Auch der berühmte "clip qui déchire" hat einen Nachfolger: Hier.
Danke am meinen Leser Thomas für die Entdeckung von Ursula Bretzel!

Donnerstag, 1. April 2010

Madame Lagarde bei Madame Merkel & Co.

Erstmalig hat mit Finanzministerin Christine Lagarde ein Mitglied der französischen Regierung bei der Kabinettssitzung in Berlin assistiert. Im Anschluss lobte sie die "Qualität des Dialogs zwischen den Ministern" und die "moderierende Rolle der Kanzlerin". Diskutiert wurde über die geplante Bankenabgabe und Arbeitsmarktpolitik. Kritische Themen, wie Lagardes Kritik an der florierenden deutschen Exportwirtschaft wurden ausgespart. Diese Äußerungen offenbaren allerdings ein seltsames politisches Denken, wenn Deutschland die "Schotten dicht macht" und Exporte stoppt, wäre Europa wohl kaum gedient.

Montag, 22. März 2010

Elba oder St. Helena?

Nach dem erdrutschartigen Sieg für die Regierungspartei UMP bei den Regionalwahlen kommentiert Le Nouvel Observateur "SarKo!". Noch gelungener fand ich allerdings den Titel eines Blogs auf Mediapart: Elba oder St. Helena lautete dieser. Auf die beiden Inseln wurde Napoleon einst verbannt. Auf Elba blieb er allerdings nur rund ein Jahr, St. Helena im Südatlantik dagegen war seine Endstation, wo er auch starb.

Mittwoch, 17. März 2010

Élections régionales - Verhandlungen für zweiten Wahlgang

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Erst im zweiten Wahlgang der Regionalwahlen wird sich in den meisten der 22 Regionen Frankreichs und in den Überseegebieten entscheiden, welche Gruppierungen den Sieg davon tragen. Im ersten Wahlgang hatten die Sozialisten mit linken Partnern landesweit 29 Prozent der Stimmen gewonnen, die Partei des Präsidenten Nicolas Sarkozy blieb drei Prozentpunkte hinter ihnen zurück. Europe Écologie, die Grünen, erreichten zwölf Prozent. Doch auch die Front National kam auf über zehn Prozent.
Die Mehrheit der Franzosen entschied sich allerdings für das Nichtwählen, nur 46,4 Prozent der Bürger stimmten ab.
Neben dem Verdruss über die aktuelle Politik und die mangelnden Alternativen dürfte auch der beschränkte politische Handlungsspielraum der Regionen zu dem Desinteresse geführt haben. Die Regionen haben weit weniger Befugnisse als die deutschen Bundesländer. Zwar erhielten sie im Dezentralisierungsgesetz von 1982 den Status einer Gebietskörperschaft. Doch ihre Kompetenz beschränkt sich auf die Raumplanung, die Berufsbildung, den Bau und Unterhalt von "lycées", die Hochschulpolitik (teilweise) und den regionalen Schnellverkehr. Seit 2004 koordinieren sie auch in Bereichen der Gesundheitspolitik und der Wirtschaftsförderung. Bei den "Régionales" werden die Mitglieder der jeweiligen "Conseil Régional" gewählt, die dann aus ihrem Kreis einen Präsidenten und Vizepräsidenten küren. Im ersten Wahlgang kamen in den meisten Regionen noch keine absoluten Mehrheiten zustande, deshalb findet am kommenden Sonntag ein zweiter Wahlgang statt. Alle Parteien, die mindestens zehn Prozent der Stimmen erreicht haben, können antreten und sich verbünden. In den meisten Fällen haben sich nun die Sozialisten und die Grünen zusammen geschlossen. Die stärkste Gruppierung besetzt einen Teil der Sitze im Conseil Régional, ein weiterer Anteil wird proportional nach dem Verhältniswahlrecht besetzt.

Sonntag, 14. März 2010

Comment-dire: Béni-oui-oui?

In Parteien ist die Spezies häufig anzutreffen, natürlich auch in Unternehmen. Die "béni-oui-oui", was so viel wie "Jasager" bedeutet, Leute, die alles abnicken. Stalinistisch geführte Parteien (faschistischen sowieso), wo  Wahlergebnisse von 100 Prozent auch ohne Fälschung zustande kamen, lebten von ihnen. Doch auch heute ist das Duckmäusertum verbreitet. Woher der Begriff kommt, ist nicht ganz klar. In Internetforen wird darüber spekuliert, dass "béni" aus dem Arabischen kommt und von Sohn abgeleitet wurde, das doppelte Oui dagegen ist eindeutig französisch. Das Wort soll während der Kolonialzeit entstanden sein. Hier noch die Erklärung des Trésor de la langue francaise.

Samstag, 13. März 2010

Letzter Vorhang für Jean Ferrat

Sein Lied "nuit et brouillards" wurde von den Radiostationen nie gespielt. Jean Ferrat gedenkt in diesem Chanson der Deportierten, die in Güterwaggons gepfercht und in Konzentrationslager verschleppt wurden, so wie sein Vater. Der wurde nach Auschwitz deportiert, als der kleine Jean Tennenbaum gerade elf Jahre alt war. Der Junge wurde von Kommunisten vor dem sicheren Tod gerettet, das vergass er ihnen nie. Ein Leben lang hatte er zwei Leidenschaften: das Chanson und die Politik. Der Sänger verstarb heute, am 13. März im Alter von 79 Jahren. Er gilt als einer der letzten großen Chansonniers.
Zunächst hatte er als Hilfsdrogist gearbeitet, um seine Familie nach dem Tod des Vaters mit durchzubringen. In den Fünfziger Jahren hat er seine ersten Auftritte und Erfolge, wie "Yeux d´Elsa". Er wird außerdem Anhänger der Kommunistischen Partei Frankreichs, ohne jedoch zu den stalinistischen Ja-Sagern zu gehören. Als der damalige PCF-Generalsekretär Georges Marchais 1980 eine "alles in allem positive Bilanz des Sozialismus in den  kommunistischen Ländern zieht, reagiert er mit seinem kritischen Chanson "Bilan", er verurteilt den Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag 1968 in "Camerade".Einige Jahre danach wird es stiller um ihn, er zieht in seine neue Wahlheimat, das Ardèche, das er in "Montagne" besingt. Er vertont in dieser Zeit Louis Aragon. Auch abseits des Showgeschäfts und trotz spärlicher Auftritte im Fernsehen, waren seine Lieder bekannt und erfolgreich. Doch gerade sein politisches Engagement stieß auch auf Kritik. Mehr über Leben und Werk bei Wikipedia.

Sonntag, 7. März 2010

Das Wort zum Sonntag: Vorratsdatenspeicherung

Die Übersetzung von zusammengesetzten deutschen Wortmonstern ist eine Herausforderung. Die "Vorratsdatenspeicherung" besteht sogar aus drei aneinandergestückelten Worten. Der schöne Begriff wurde 2007 Teil der deutschen Sprache, als ein gleichnamiges Gesetz erlassen wurde. In dieser Woche stufte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz jedoch als verfassungswidrig ein.
Beim Übersetzen der Bandwürmer ist es legitim, einen Teil wegzulassen. Ein Blick in französische Medien hilft, Le Nouvel Obs hat das Gesetz "une loi sur la conservation de données" benannt. Das ist die geschickteste Übertragung, da die "conservation" der "Speicherung auf Vorrat" sehr nahe kommt. Andere Medien sprechen von einer "stockage de données", das wäre allerdings nur eine Datenspeicherung. Naheliegender wäre eine Umschreibung, wie beispielsweise "rétention de données pendant six mois".

Donnerstag, 4. März 2010

Historisches Epos Henri IV - Kurzkritik

Es wirkt so, als habe der Regisseur Jo Baier nach einem Rezept gesucht, um alle Zielgruppen zufrieden zu stellen. Man nehme ausgiebige Kampfszenen, viel Liebesgeflüster mit nachfolgenden Sexszenen und historisches Dekor, besetze die Hauptpersonen mit deutschen und französischen Berühmtheiten. Acht Jahre lang arbeitete die Mannschaft an dem Epos, das 20 Millionen Euro gekostet hat.
Das Ergebnis fand ich eher enttäuschend. 150 Minuten dauert der Film und hat die eine oder andere Länge.
Das Drehbuch hat Jo Baier nach dem Roman von Heinrich Mann verfasst und klebt bedauerlicherweise an der chronologischen Fassung. Die ist sicher geeignet, kleine Gedächtnislücken aus dem Geschichtsunterricht zu schließen. Besser hätte mir ein anderer Blickwinkel gefallen, ein größerer Spannungsbogen und eine überraschende Wendung. Allein der Werdegang von Henri von Navarra bis zu seinem Tod durch einen Attentäter ist schließlich in jedem Geschichtsbuch nachzulesen, den zum roten Faden der Geschichte zu machen, erscheint etwas einfallslos.
Historiker streiten beispielsweise darüber, ob die Gattin Marie de Medici die alleinige Auftraggeberin für den Mord an Henri IV war. Möglicherweise hätte das einen Ansatzpunkt gegeben. Neben der etwas misslungenen Konstruktion fand ich die langwierigen Kampfszenen der verschiedenen Schlachten geradezu ärgerlich. Gut gelöst war die Darstellung der Bartholomäusnacht, in einer Szene kommt das Blut zur Tür hineingelaufen.
Etwas kurz wurden die Überzeugungen und Handlungen des Humanisten Henri IV ausgeleuchtet. Die Unterzeichnung des Ediktes von Nantes wurde gezeigt, das hätte man ein wenig ausbauen können.
Von den Schauspielern haben vor allem Ulrich Noethen als Karl IX. , Arnelle Deutsch als Margot überzeugt. Julien Boisselier mimte als Henri IV immerhin den Verführer glaubwürdig. Sehr viel Mühe haben die Filmemacher auf die Kostüme und die Räumlichkeiten verwandt. Das mittelalterliche Paris mit seinen engen Gassen, die unwirtliche Wohnung im Louvre wirkten authentisch.

Montag, 1. März 2010

Bauboom im Überschwemmungsgebiet am Atlantik mit tragischen Folgen

In Sekunden zerbröselten Dämme, Straßen und Brücken. Wassermassen verwüsteten Hafenanlagen, schleuderten Yachten wie Kinderspielzeug durch die Luft, lief in Keller, Garagen und ganze Einfamilienhäuser. Das Sturmtief Xynthia vor allem den Küstenstreifen am Atlantik schwer verwüstet. "Es war wie eine Apokalypse", berichtet ein Augenzeuge.
Bis Montag Nachmittag war eine Zahl von 51 Todesopfern bekannt, trotz ganztägiger Warnungen von Méteomedia vor dem Sturm. Vor allem in den Départements Vendée und Charente Maritime wird nun über die künftige Bauleitplanung diskutiert. In den beiden Orten mit den meisten Todesopfern Aiguillon-sur-Mer und La-Faute-sur-Mer sind die Siedlungen immer weiter ans Meer herangerückt. Selbst in besonders niedrig liegenden Überschwemmungsgebieten, die nur durch einige Dünen vom Strand getrennt sind, wurde eifrig gebaut. Schon seit Jahren wurde darüber kontrovers diskutiert. Doch die Allianz der Immobilienwirtschaft mit expansionwilligen Lokalpolitikern setzte sich über alle Zweifel hinweg. Ein neuer Aktionsplan gegen Risiken soll künftig den Bau neuer Häuser in den gefährdeten Gebieten verbieten. In weiteren, dahinter liegenden Zonen, sollen die Gebäude erhöht werden. Viele der Toten wurden Nachts in ihren Häusern vom Wasser überrascht und konnten sich nicht mehr in Sicherheit bringen.

Sonntag, 28. Februar 2010

Das Wort zum Sonntag: Lautmalerei - Onomatopée

Lautmalereien geben durch ihre Tonfolgen bestimmte Geräusche wieder oder drücken Empfindungen wie Erschrecken, Erstaunen oder Schmerz aus. Wer einmal Comics oder Zeichentrickfilme übersetzt hat, stellt fest, dass die verwendeten Laute von Sprache zu Sprache ganz unterschiedlich ausfallen. Im Kurs für Comicübersetzen an der Humboldt-Universität entstand eine sehr hilfreiche Liste der Onomatopées.
So schreit das französische Kind Aie, das deutsche Au oder Aua. Südlich des Rheins gibt "Atchoum" das Geräusch des Niesens wieder, nördlich Hatschi. Wenn Asterix selig schlummert, zeigt sich ein ZZZZZ in seiner Sprechblase, auf deutsch ein "Schnorr". Der Gangster lässt mit seiner Pistole auf Deutsch ein "Peng, Peng" erklingen, auf Französisch ein "Pan, Pan". Die hilfreichen Rettungskräfte nahen mit französischem "PinPon" oder mit deutschem "Tatü". Selbst die Polizeihunde würden sich wohl nicht sofort verstehen, wenn sie lautmalerisch bellen würden - auf Französisch "Ouah, Ouah" statt "Wau, Wau". Und wenn die Deutschen das "Cocorico" des französischen Gockels hören würden, statt des Weckrufes Kikeriki, würden sie sich wohl nochmal im Bett umdrehen. Selbst die Ostsee klingt anders, als das Mittelmeer. "Splatsch" fällt der Stein im Norden ins Wasser, auf französisch klingt er "Plouf". Da bleibt nur ein erschöpftes "OUF". Comicübersetzen kann man übrigens lernen. Der Dozent Xavier Bihan lehrt Comicübersetzen und Filmübersetzen am Institut für Romanistik der Humboldt-Universität Berlin im Sommersemester 2010. Möglicherweise werden beide Kurse letztmalig angeboten, da die Übersetzerausbildung dem Rotstift geopfert wurde.

Donnerstag, 25. Februar 2010

Florence Aubenas - die französische Wallraff

Die Auslandskorrespondentin Florence Aubenas ist auch in Deutschland nicht unbekannt, denn sie wurde mehrere Monate lang als Geisel im Irak festgehalten. Nach ihrer Rückkehr war sie nun als französische "Wallraff" unterwegs. Unter ihrem richtigen Namen, mit gefärbten Haaren und Brille verdingte sie sich in Caen als Putzfrau. In ihrem Buch "Le Quai de Quistreham" beschreibt sie ihre Erfahrungen "ganz unten". Wie sie robbend die Toiletten auf der Fähre nach England reinigt, jede in gerade einmal drei Minuten, um die Arbeit während der kurzen Überfahrt zu schaffen. Diese ekelerregende Arbeit ist Frauen vorbehalten. "Innerhalb einer Viertelstunde sind meine Knie auf das doppelte angeschwollen, ich spüre Ameisen im Arm", schreibt sie über die Arbeit, die einzige, die es für eine Frau in den Vierzigern ohne Qualifikation gab. Aufschlussreich sind auch die Erlebnisse im Arbeitsamt, wo die Berater denjenigen, die jede Arbeit annehmen müssen ganz offen ihre Verachtung und ihren Zynismus spüren lassen. Doch auch unter den Angestellten gibt es eine Hierarchie, bei der die Putzfrauen ganz unten stehen. Ganz zufällig lässt der Kollege die Kaffeetasse fallen, trampelt über frischgereinigte Flure. All das für einen Lohn von weniger als 700 Euro im Monat. Die Journalistin ist mittlerweile in ihren wirklichen Beruf zurück gekehrt und hat ein packendes Reportagebuch über das Leben des französischen Prekariats verfasst.

Mittwoch, 24. Februar 2010

Ministerium löscht schwarze Liste der Arbeitgeber

Etwa 24 Stunden lang war die Liste der schlechtesten Arbeitgeber Frankreichs auf der Internetseite des Ministeriums für Arbeit zu sehen. Dann verschwand sie heimlich, still und leise - der Minister hat schließlich den Kotau vor den Unternehmen gemacht.
1500 Großunternehmen waren nach der Suizidserie bei France Télécom verpflichtet worden, Maßnahmen gegen den Stress bei der Arbeit in die Wege zu leiten. Nur ein Drittel der Konzerne hat das mittlerweile getan, diese sind auf der grünen Liste des Arbeitsministers aufgeführt. Nicht mehr zu sehen sind die Unternehmen mit der Warnstufe rot (beispielsweise Picard, DHL, Goodyear, Procter&Gamble) oder orange (France Télécom). Rot wurde die Betriebe eingestuft, die weder die Abstimmung mit den Gewerkschaften verbessert haben, noch Sorgentelefone einrichteten. Im vergangenen Jahr hatten sich allein bei France Télécom 35 Mitarbeiter das Leben genommen, auch bei Renault häuften sich Suizide.
Fortsetzung vom 26.2. Schon wieder hat sich eine Angestellte von France Télécom in Lens das Leben genommen. Sie war im Kundendienst von Orange eingesetzt und musste wegen der Restrukturierungsmaßnahmen mehrfach den Beruf wechseln. "France Télécom ist nicht der einzige Verursacher des Suizids, doch sie haben ihren Anteil", sagte ein Gewerkschafter. Auch ein Fragebogen über Probleme am Arbeitsplatz hat das Klima beim ehemaligen Monopolisten nicht verbessert. Die traurige Serie hat sich auch 2010 fortgesetzt. Seit Januar sind haben bereits acht Mitarbeiter ihrem Leben ein Ende gesetzt.

Sonntag, 21. Februar 2010

Das Wort zum Sonntag: Le canard

Diese Geschichte könnte aus einem Hollywood-Film stammen. Am vergangenen Wochenende kollidierte ein Hubschrauber im Drôme-Gebirge mit einem Baum. Durch einen waghalsigen Sprung retteten sich der Pilot und die 73!-Jährige Passagierin, berichteten viele Zeitungen, darunter Libération. Da hatten sie allerdings einen "canard" gelandet, stellte sich heraus. "Le canard" ist die "Zeitungsente", also eine Falschmeldung. "Fausse nouvelle lancée dans la presse" schreibt Le Petit Robert.
Solche Enten watscheln meist dann, wenn Journalisten nicht ausreichend recherchieren. In diesem Fall hatte ein Feuerwehrmann die abenteuerliche Version der Ereignisse an die Presse gemeldet, nachdem der Pilot im Schock berichtete, er sei "herausgesprungen". Er sprang aber aus dem schon im Schnee notgelandeten Helikopter und holte Hilfe. Im Nachhinein stellte sich auch heraus, dass die Passagierin noch nicht so betagt war. Fehlleistungen wie diese brachten dem "canard" noch eine weitere Bedeutung, im Französischen nennt man eine Zeitung abwertend "Canard." Selbstironisch hat die Wochenzeitung "Le canard enchainé" den Begriff als Namen gewählt. In diesem Fall ist jedoch Nomen nicht Omen. Das Blatt gehört zu den wenigen kritischen Medien und veröffentlicht regelmäßig gut recherchierte Enthüllungsgeschichten.

Freitag, 19. Februar 2010

Nacktscanner: Ab Montag blicken die Kontrolleure unter die Haut

Wer ab Montag von Paris aus das Flugzeug nimmt, kann bis auf die Knochen durchleuchtet werden. Unter dem harmlos klingenden Namen "loppsi II" schnürte die französische Regierung ein Gesetzespaket, das die innere Sicherheit gewährleisten soll. Beschlossen wurde auch der Körperscanner.
Eine Wissenschaftler-Kommission hatte Bedenken gegen den Eingriff in die Intimsphäre angemeldet. Denn die aktuelle Technik erlaubt es, die Passagiere tatsächlich in allen Einzelheiten zu mustern. Eine Speicherung der Daten und deren Übertragung könnte zu einem Missbrauch privatester Informationen führen. Noch sind keine Lösungen für diese Probleme in Sicht. Vorerst soll die Passage am Apparat freiwillig erfolgen.

Sonntag, 14. Februar 2010

Das Wort zum Sonntag: Warum rufen sich die Franzosen nichts zu?

Es war der Horror in einer Prüfung. Da bekam ich tatsächlich einen deutschen Text, in dem ein Lokalpolitiker den Besuchern in einem Bierzelt etwas "zuruft". Und das Ganze sollte ohne Wörterbuch flott ins Französische übersetzt werden. Die Suche begann: in welcher grauen Zelle hatte sich nur das französische Pendant für "zurufen" versteckt? Ich war überzeugt: "Das Wort muss es geben, es fällt mir nur nicht ein". Doch nach der Prüfung ergab der Blick ins Wörterbuch: Non! Auf Französisch ruft man sich nichts zu. Zwar schlägt das Langenscheidt-Wörterbuch vor "crier", doch das kommt eher dem deutschen Schreien oder Brüllen nah. (Passt ja auch zum Bierzelt, aber was tut man in Norddeutschland?)
Wenn man das Verb "zurufen" übersetzt oder dolmetscht, dann gibt es verschiedene Varianten. So kommt in vielen Fällen "lancer" in Frage. In einem aktuellen Artikel aus der Zeit über die Nobelpreisrede von Barack Obama kam beispielsweise folgender Satz vor: "The glory is yours", ruft ihm der norwegische König Harald V. im Rathaus von Oslo zu....Die naheliegendste Übersetzung wäre: "The glory is yours" lui lance le roi de Norvège Harald V à l´hôtel de ville à Oslo. Alternativ könnte in dem Fall auch "s´exclamer" eingesetzt werden: .."s´exclame le roi Harald V en se tournant vers Barack Obama.
Je nach Situation könnten annoncer oder dire verwendet werden. Auch wenn die Lautstärke dann eigentlich nicht ganz dem Zurufen entspricht. Warum das so ist? Das konnte noch kein Muttersprachler beantworten? Vielleicht finden die Franzosen das Zurufen eher unhöflich. Und wenn man denn unhöflich ist, dann schreit oder brüllt man eben. Aber das ist nur eine unwissenschaftliche Vermutung. Vielleicht wissen die Leser mehr.
Merci à Bernadette, Camille et Marina pour l´inspiration!

Samstag, 13. Februar 2010

Baguette, Bordeaux-Wein, Baskenmütze - Identität verzweifelt gesucht


Den bisher besten Vorschlag für die französische Identitätssuche machte in dieser Woche die Süddeutsche Zeitung: "Man nehme Baguette und Baskenmütze, gebe Camembert und Café au lait dazu, würze mit reichlich Napoléon-Mythos sowie ein bisschen Edith-Piaf-Kult, gieße das Ganze zu den Klängen der Marseillaise mit Champagner auf - und heraus kommt Frankreich", schrieb Stefan Ulrich. Ein treffender Kommentar zu der bizarr anmutenden Diskussion. Sie erscheint wie ein Aufguss der ebenso unsäglichen Debatte über die deutsche Leitkultur, die im Wahlkampf von den deutschen Konservativen (CDU) angestoßen wurde.
Auch in Frankreich stehen die Regionalwahlen bevor. Die konservative UMP, die Partei des Präsidenten Nicolas Sarkozy erwartet einen Dämpfer. Dessen Halbzeitbilanz fällt eher durchwachsen aus. Als selbsternannter "Präsident der Kaufkraft" hat er auf ganzer Linie versagt. Wichtige Vorhaben, wie die Ökosteuer scheiterten am Votum des Verfassunggerichtes. Auch der Versuch, seinem Sohn Jean einen wichtigen Posten zuzuschanzen und die Rolle beim Clearstream-Prozess ließen seine Umfragewerte rapide sinken. (Hier eine Bilanz der Friedrich-Ebert-Stiftung zur ersten Hälfte seiner Amtszeit:  "Halbzeitblues"  .
So bliesen die Parteistrategen zur Gegenoffensive. Seit dem Herbst laufen in allen Départements Diskussionen über die nationale Identität, auf einer Internetseite wurde intensiv diskutiert. Einige der Beiträge lassen vermuten, dass die Partei das rechte Randspektrum mobilisieren könnte.
Als Ergebnis der Diskussionen sollen nun einige Rituale eingeführt werden, die doch sehr an ostdeutsche Fahnenappelle erinnern. So soll die französische Fahne an den Schulen wehen und die Charta der Menschenrechte in den Klassenzimmern aufgehängt werden. Einmal jährlich soll die Marseillaise gesungen werden. Schüler erhalten einen Ausweis für junge Bürger, um als "Staatsbürger" geschult zu werden. Die DDR lässt grüßen! Begeisterte Staatsbürger hat die dortige Staatsbürgerkunde nämlich kaum hervor gebracht.
Die Mehrheit der Franzosen lässt die kollektive Sinnsuche ihrer Politiker ohnehin völlig gleichgültig. Eine TNS Sofres Umfrag ergab, dass sie die "Sprache, Kultur, Meinungsfreiheit, Geschichte und Gleichberechtigung" als wichtigste Bestandteile des französischen Wesens sehen.
Foto: Rainer Sturm/pixelio

Sonntag, 7. Februar 2010

Das Wort zum Sonntag: demi-connaissances

Der im vergangenen Jahr mit 101 Jahren verstorbene Anthropologe und Philosoph Claude Levi-Strauss gehörte einer aussterbenden Art an: dem des Universalgenies oder Universalgelehrten. (Il était un génie universel ou un savant universel). Weisheit (la sagesse) scheint in unserer schnelllebigen Zeit keine Konjunktur zu haben. Stattdessen bringt die Epoche einen Menschentypus hervor, der "irgendwas mit Medien" macht und über ein "solides Halbwissen" verfügt. Im Französischen ist oft von "demi-connaissances" die Rede. Das solide Halbwissen, eine ironische Betrachtung die zwei Gegensätze aufeinanderprallen lässt, ließe sich mit "demi-connaissances solides" übersetzen (Merci à Bernadette Desorbay pour cette solution!). Im Französischen ist außerdem oft die Rede von "demi-connaissances en toutes choses". Allerdings werden diese Begriffe im Deutschen häufiger verwendet, passend zur "Digitalen Bohème" die Milchkaffee schlürfend mit Laptop Berliner Cafés bevölkert und an einem Projekt arbeitet. Französische Korrespondenten und Arte berichteten über die "bohème numérique" de Berlin.

Donnerstag, 4. Februar 2010

Deutschland und Frankreich: Annäherung in 80 Punkten


Ihr "Vive la France" sollte Angela Merkel  künftig vorher üben oder beim nächsten Versuch in Lautschrift auf einen Zettel notieren lassen. Jenseits der sprachlichen Fehlversuche hat der heutige deutsch-französische Ministerrat zahlreiche konkrete Projekte hervorgebracht. Insgesamt haben die beiden Regierungen 80 Maßnahmen verabschiedet. Beide Staaten wollen künftig im Bereich der Wirtschaft, der Finanzen, der Umwelt, der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik stärker kooperieren. Daneben zielt die "Agenda 2020" auf eine Annäherung der Zivilgesellschaften.
So soll es mehr Jugendaustausch geben. Das Erlernen der Sprachen wird schon im Kleinkindalter gefördert, die Schaffung binationaler Kindergärten soll verstärkt werden. Für die deutsch-französische Hochschule ist eine Verdopplung der Studentenzahlen geplant. Künftig können weitere Partner am deutsch-französischen Geschichtsbuch mitschreiben.
Gemeinsam wollen die Regierungschefs die Schaffung einer neuen Weltordnung und eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte vertreten. Wenn Frankreich die Präsidentschaft der G8 und der G20-Staaten übernimmt, sollen gemeinsame Vorschläge in die Reformvorhaben einfließen. Gemeinsam denken die Politiker auch über die Konsequenzen des Scheiterns der Konferenz von Kopenhagen nach und die Vorschläge der Stiglitz-Kommission für ein nachhaltigeres Wachstum sowie eine neuen Bewertung von Wohlstand in Zeiten des Klimawandels. Im Kampf gegen Treibhausgase, wird unter anderem ein gemeinsamer Feldversuch mit Elektroautos in der Region zwischen Strasbourg, Mannheim und Stuttgart ins Leben gerufen. Außerdem sind deutsch-französische Solarprojekte in Vorbereitung. Konkretisiert wurde auch die Kooperation der Max-Planck-Gesellschaft mit dem französischen CNRS. Außenpolitisch unterstützt Frankreich die Bemühungen Deutschlands um einen Sitz im Weltsicherheitsrat der UNO.
Auf einen gemeinsamen deutsch-französischen Minister konnten sich die Politiker nicht einigen. Zuvor war bereits der Sozialist Jacques Lang für diese Position gehandelt worden. Doch stattdessen ist nun ein Pendelverkehr verschiedener Minister geplant.

Sonntag, 31. Januar 2010

Das Wort zum Sonntag: blanchir

"Dominique de Villepin blanchi" vermeldeten die Medien in dieser Woche nach dem Clearstream-Prozess und Arte übersetzte dies als "Freispruch" für DdV. Im Zusammenhang mit Prozessen oder Beschuldigungen bedeutet blanchir soviel wie entlasten, freisprechen und ist von der deutschen Metapher "eine weiße Weste haben" nicht weit entfernt.
Ursprünglich steht das von blanc abgeleitete Verb ganz einfach für weißen, waschen, reinigen oder bleichen, verrät Le Petit Robert. Auch dem strahlenden Lächeln kann blanchir auf die Sprünge helfen, nämlich beim blanchissement des dents, dem Bleichen des Gebisses, was die Zahnärzte neudeutsch "Bleaching" nennen, weil das wohl flotter klingt. Weniger erwünscht ist "blanchir" bei den Haaren, die weiß werden. Altersprozesse sind eben nicht so beliebt wie kleine Eingriffe für die Schönheit. Auch weiß werden kann mit "blanchir" übersetzt werden, nämlich "La neige blanchit les sommets" (Schnee bedeckt die Gipfel mit Weiß).
Ehrenhaft ist das Verb mit den vielen Bedeutungen auch nicht immer, vor allem wenn man es im Zusammenhang mit Geldern einsetzt.  "Blanchir des fonds" heißt nämlich soviel wie Geldwäsche, auch hier gibt es also eine ähnliche Metapher im Deutschen.

Freitag, 29. Januar 2010

Häuserkampf an der Place des Vosges


Wer in Paris schon einmal eine Bleibe gesucht hat, kennt Anzeigen wie diese: "Geräumige lichtdurchflutete Zweizimmerwohnung, 12 Quadratmeter, Toilette auf dem Hof für 600 Euro monatlich", dann gäbe es laut der Anzeige im Fenster des Immobilienbüros noch ein tolles Schnäppchen zu kaufen "neun Quadratmeter, keine Fenster für nur 130 000 Euro". Mit Galgenhumor kämpft eine Handvoll Aktivisten des Kollektivs Jeudi Noir seit einigen Jahren gegen die triste Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Makler und Hauseigentümer ausnutzen, um auch die letzte schäbige Dachkammer für eine Unsumme zu vermieten. Als Clowns verkleidet, besuchen die Aktivisten Immobilienmessen, rufen bei Wohnungsbesichtigungen von ähnlich trostlosen Löchern Happenings aus und "beschlagnahmen" leerstehende Immobilien.
Auf ihrem Blog berichten die Mitglieder von Jeudi noir von ihrer jüngsten, spektakulären Aktion gegen die Wohnungsnot. Die 30 Mitglieder der Gruppe: Studenten, Arbeitslose und Beschäftigte mit kleinen Einkommen haben sich ausgerechnet am noblen Place des Vosges niedergelassen. Seit Oktober haben sie dort ein prächtiges 400 Jahre altes Palais besetzt, in dem einst die Marquise de Sévigné geboren wurde. "Das Gebäude steht bereits seit einem halben Jahrhundert leer und es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich dies so bald ändern könnte", machen die Aktivisten geltend, die mit ihrer Aktion auf die Wohnungsnot und die Untätigkeit der Politik hinweisen wollen.
Das Schlösschen gehört einer 87-Jährigen Bankierstochter, die im Altersheim lebt und seit zwei Jahren entmündigt ist. Ihre Vertreter haben mittlerweile einen Räumungsbescheid erwirkt. Die alte Dame hatte die Besetzer sogar besucht, ebenso wie Politiker aller Parteien. Die noble Adresse an der Place des Vosges bringt den Besetzern mediale Aufmerksamkeit. Mit seinen frühbarocken Palästen gilt der unter Heinrich IV. im 17. Jahrhundert angelegte Platz als einer der schönsten in der französischen Hauptstadt. Einst hatten Richelieu, Victor Hugo und Georges Simenon hier residiert. Heute zählt diese Adresse zu den teuersten in Paris - ein einziger Quadratmeter kostet 20 000 Euro. Teuer dürfte das Wohnen auch für die Schlossbesetzer werden, das Gericht hatte sie zur monatlichen Zahlung von 25 000 Euro verdonnert und einen Räumungstitel erlassen. Doch ob die Vertreibung unter Beobachtung der Medien mitten im Winter durchgesetzt wird, darf man bezweifeln.
Hier noch zwei interessante Artikel über Jeudi noir: Artikel Süddeutsche und Le Monde.

Sonntag, 24. Januar 2010

Das Wort zum Sonntag: Le scanner corporel

Ab sofort wird auf diesem Blog Sonntags (außer bei Winterblues) ein aktuelles französisches Wort und dessen Entsprechung im Deutschen vorgestellt. Noch im vergangenen Jahr hatten die Europäer Nacktscanner als Spinnerei der angstgeplagten Amerikaner abgetan, die in ihrem Antiterrorwahn Flugreisende bis auf die Knochen durchleuchten. Fast parallel entwickelten sich damals die Ausdrücke "scanner déshabillant" und "Nacktscanner". Selbst der nicht gerade zimperliche deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble betrachtete die Aufstellung von solchen Geräten damals als abseitige Idee.
Mittlerweile hat sich die Öffentlichkeit offenbar mit der Durchleuchtung abgefunden. Bei einer Umfrage in Le Monde waren beispielweise 43,7 Prozent der Franzosen für den Scanner und nur 35,4 dagegen, der Rest hatte keine Meinung. In den nächsten Tagen soll das erste Testgerät in Paris Charles-de-Gaulles aufgestellt werden. Mittlerweile heißt der Apparat versöhnlicher "scanner corporel".
In Deutschland demonstrierten Gegner dieser Kontrollmethode mit Flashmobs, sie ließen die Hüllen in mehreren Flughäfen aus Protest fallen. Dennoch hat sich auch im deutschsprachigen Raum der fast schon niedlich klingende Ausdruck "Körperscanner" eingebürgert. Im Sommer soll über eine Aufstellung entschieden werden.

Freitag, 22. Januar 2010

Der Unglücksbote für Haiti

Kaum ein Land wurde jemals so durch die Naturgewalt verwüstet wie jetzt Haiti. Doch das Erdbeben ist nicht das erste Unglück, das die Bevölkerung des Landes heimsuchte. Genau genommen war Christoph Kolumbus, der die Insel 1492 entdeckte, der Unglücksbote. In der Folge wurde die "Perle der Karibik" kolonialisiert und die Ureinwohner komplett ausgerottet. Im 17. Jahrhundert brachten die Kolonialmächte Spanien und Frankreich afrikanische Sklaven als Arbeitskräfte auf die Zuckerrohrplantagen.
In einem sehr lesenswerten Artikel beschreibt Toni Keppeler in der Taz, wie Haiti zu einem der ärmsten Länder der Welt wurde. Nach dem Sklavenaufstand 1791 liess sich die Republik auf einen Vergleich mit Frankreich ein, der das Land vollends wirtschaftlich ruinierte. So sollten ehemalige Plantagenbesitzer mit einer Summe von 150 Millionen Gold-Francs abgefunden werden. Von 1825 bis 1947 wurden umgerechnet 22 Mrd. Dollar an Frankreich überwiesen. Das trieb das Land in den Ruin, eine Reihe von Diktatoren plünderten die Staatskassen noch zusätzlich aus. Ironischerweise will nun ausgerechnet der korrupte Ex-Diktator Jean-Claude Duvalier Geld an die Erdbebenopfer überweisen, dessen Clan die Bevölkerung mit Privatmilizen terrorisiert hatte. Sein auf 900 Millionen Dollar geschätztes Vermögen soll er allerdings größtenteils verschwendet haben, nur ein kleiner Teil wurde auf Schweizer Konten eingefroren und nach Haiti überwiesen. Auch dieser Diktator wurde in Frankreich mit offenen Armen empfangen, allerdings lebt er bescheiden in einem Arbeiterviertel und hat keinen Zugang mehr zu seinen Konten.
Neben der Hilfskampagne für das Land wird derzeit auch ein Marshallplan erwogen, mit dem Haiti nach den Rettungsaktionen nachhaltig geholfen werden soll. Sicherlich eine sinnvolle Idee, wenn daraus nicht neue Abhängigkeiten entstehen. Derzeit benötigen viele Hilfsorganisationen noch Spenden, um Verletzte zu behandeln, Überlebende mit Lebensmitteln zu versorgen und die Häuser wieder aufzubauen. Wer nach der richtigen Organisation sucht, der er eine Spende überweisen möchte, sollte sich die Empfehlungen der DZI ansehen. Die deutsche Organisation vergibt ihr Siegel an professionelle Organsationen, deren Verwaltungskosten sich im Rahmen bewegen und die den Verbleib der Gelder korrekt nachweisen.

Dienstag, 5. Januar 2010

Umstrittene Geldspritze für französische Onlinemedien

Biss ließen die meisten französischen Journalisten schon immer vermissen, wenn es um Kritik an der Regierung oder an politischen Entscheidungen ging. Wer einmal hinter die Kulissen geblickt hat, kann sich das erklären. Viele Journalisten haben ihre Ausbildung an den gleichen Kaderschmieden erhalten, wie die Amtsträger und wichtige Beamte. Gleich nach dem Namen folgt bei Vorstellungen der stolze Nachtrag "Enard", wie sich die Absolventen der Grande Ecole nennen. Der Einstieg von Großindustriellen in den Mediensektor in den vergangenen Jahren war der freien Berichterstattung auch nicht gerade förderlich. Nun haben die Medien zudem die bedenkliche Entscheidung getroffen, Staatshilfen der Regierung anzunehmen. 900 Millionen Euro investiert der Staat in die Unterstützung der Medien. Davon sollen zwischen Ende 2009 und 2011 jeweils 20,5 Mio. an Onlinemedien gehen.
Zwar erhalten die traditionellen Zeitungen und das Fernsehen den größten Teil des Kuchens - und zwar ohne den jeweiligen Betrag bekannt zu geben. Doch die größte Kritik prasselt auf die Informationsseiten im Internet ein, die bisher als unabhängige Berichterstatter galten. 64 von ihnen hatten Hilfen beantragt, unter anderm rue89 (249.000 Euro), mediapart (200.000 Euro) und Slate (199.000 Euro). Die Gewerkschaft der Internetmedien Spiil hatte sich für eine Gleichbehandlung in der Branche eingesetzt.
Einige der Internetaktivisten, wie @rrêt sur image, lehnen die Annahme von Staatsgeldern jedoch strikt ab. Wie sagt das Sprichwort so schön: Ne mords pas la main qui te nourrit!