Sonntag, 31. Januar 2010

Das Wort zum Sonntag: blanchir

"Dominique de Villepin blanchi" vermeldeten die Medien in dieser Woche nach dem Clearstream-Prozess und Arte übersetzte dies als "Freispruch" für DdV. Im Zusammenhang mit Prozessen oder Beschuldigungen bedeutet blanchir soviel wie entlasten, freisprechen und ist von der deutschen Metapher "eine weiße Weste haben" nicht weit entfernt.
Ursprünglich steht das von blanc abgeleitete Verb ganz einfach für weißen, waschen, reinigen oder bleichen, verrät Le Petit Robert. Auch dem strahlenden Lächeln kann blanchir auf die Sprünge helfen, nämlich beim blanchissement des dents, dem Bleichen des Gebisses, was die Zahnärzte neudeutsch "Bleaching" nennen, weil das wohl flotter klingt. Weniger erwünscht ist "blanchir" bei den Haaren, die weiß werden. Altersprozesse sind eben nicht so beliebt wie kleine Eingriffe für die Schönheit. Auch weiß werden kann mit "blanchir" übersetzt werden, nämlich "La neige blanchit les sommets" (Schnee bedeckt die Gipfel mit Weiß).
Ehrenhaft ist das Verb mit den vielen Bedeutungen auch nicht immer, vor allem wenn man es im Zusammenhang mit Geldern einsetzt.  "Blanchir des fonds" heißt nämlich soviel wie Geldwäsche, auch hier gibt es also eine ähnliche Metapher im Deutschen.

Freitag, 29. Januar 2010

Häuserkampf an der Place des Vosges


Wer in Paris schon einmal eine Bleibe gesucht hat, kennt Anzeigen wie diese: "Geräumige lichtdurchflutete Zweizimmerwohnung, 12 Quadratmeter, Toilette auf dem Hof für 600 Euro monatlich", dann gäbe es laut der Anzeige im Fenster des Immobilienbüros noch ein tolles Schnäppchen zu kaufen "neun Quadratmeter, keine Fenster für nur 130 000 Euro". Mit Galgenhumor kämpft eine Handvoll Aktivisten des Kollektivs Jeudi Noir seit einigen Jahren gegen die triste Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Makler und Hauseigentümer ausnutzen, um auch die letzte schäbige Dachkammer für eine Unsumme zu vermieten. Als Clowns verkleidet, besuchen die Aktivisten Immobilienmessen, rufen bei Wohnungsbesichtigungen von ähnlich trostlosen Löchern Happenings aus und "beschlagnahmen" leerstehende Immobilien.
Auf ihrem Blog berichten die Mitglieder von Jeudi noir von ihrer jüngsten, spektakulären Aktion gegen die Wohnungsnot. Die 30 Mitglieder der Gruppe: Studenten, Arbeitslose und Beschäftigte mit kleinen Einkommen haben sich ausgerechnet am noblen Place des Vosges niedergelassen. Seit Oktober haben sie dort ein prächtiges 400 Jahre altes Palais besetzt, in dem einst die Marquise de Sévigné geboren wurde. "Das Gebäude steht bereits seit einem halben Jahrhundert leer und es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich dies so bald ändern könnte", machen die Aktivisten geltend, die mit ihrer Aktion auf die Wohnungsnot und die Untätigkeit der Politik hinweisen wollen.
Das Schlösschen gehört einer 87-Jährigen Bankierstochter, die im Altersheim lebt und seit zwei Jahren entmündigt ist. Ihre Vertreter haben mittlerweile einen Räumungsbescheid erwirkt. Die alte Dame hatte die Besetzer sogar besucht, ebenso wie Politiker aller Parteien. Die noble Adresse an der Place des Vosges bringt den Besetzern mediale Aufmerksamkeit. Mit seinen frühbarocken Palästen gilt der unter Heinrich IV. im 17. Jahrhundert angelegte Platz als einer der schönsten in der französischen Hauptstadt. Einst hatten Richelieu, Victor Hugo und Georges Simenon hier residiert. Heute zählt diese Adresse zu den teuersten in Paris - ein einziger Quadratmeter kostet 20 000 Euro. Teuer dürfte das Wohnen auch für die Schlossbesetzer werden, das Gericht hatte sie zur monatlichen Zahlung von 25 000 Euro verdonnert und einen Räumungstitel erlassen. Doch ob die Vertreibung unter Beobachtung der Medien mitten im Winter durchgesetzt wird, darf man bezweifeln.
Hier noch zwei interessante Artikel über Jeudi noir: Artikel Süddeutsche und Le Monde.

Sonntag, 24. Januar 2010

Das Wort zum Sonntag: Le scanner corporel

Ab sofort wird auf diesem Blog Sonntags (außer bei Winterblues) ein aktuelles französisches Wort und dessen Entsprechung im Deutschen vorgestellt. Noch im vergangenen Jahr hatten die Europäer Nacktscanner als Spinnerei der angstgeplagten Amerikaner abgetan, die in ihrem Antiterrorwahn Flugreisende bis auf die Knochen durchleuchten. Fast parallel entwickelten sich damals die Ausdrücke "scanner déshabillant" und "Nacktscanner". Selbst der nicht gerade zimperliche deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble betrachtete die Aufstellung von solchen Geräten damals als abseitige Idee.
Mittlerweile hat sich die Öffentlichkeit offenbar mit der Durchleuchtung abgefunden. Bei einer Umfrage in Le Monde waren beispielweise 43,7 Prozent der Franzosen für den Scanner und nur 35,4 dagegen, der Rest hatte keine Meinung. In den nächsten Tagen soll das erste Testgerät in Paris Charles-de-Gaulles aufgestellt werden. Mittlerweile heißt der Apparat versöhnlicher "scanner corporel".
In Deutschland demonstrierten Gegner dieser Kontrollmethode mit Flashmobs, sie ließen die Hüllen in mehreren Flughäfen aus Protest fallen. Dennoch hat sich auch im deutschsprachigen Raum der fast schon niedlich klingende Ausdruck "Körperscanner" eingebürgert. Im Sommer soll über eine Aufstellung entschieden werden.

Freitag, 22. Januar 2010

Der Unglücksbote für Haiti

Kaum ein Land wurde jemals so durch die Naturgewalt verwüstet wie jetzt Haiti. Doch das Erdbeben ist nicht das erste Unglück, das die Bevölkerung des Landes heimsuchte. Genau genommen war Christoph Kolumbus, der die Insel 1492 entdeckte, der Unglücksbote. In der Folge wurde die "Perle der Karibik" kolonialisiert und die Ureinwohner komplett ausgerottet. Im 17. Jahrhundert brachten die Kolonialmächte Spanien und Frankreich afrikanische Sklaven als Arbeitskräfte auf die Zuckerrohrplantagen.
In einem sehr lesenswerten Artikel beschreibt Toni Keppeler in der Taz, wie Haiti zu einem der ärmsten Länder der Welt wurde. Nach dem Sklavenaufstand 1791 liess sich die Republik auf einen Vergleich mit Frankreich ein, der das Land vollends wirtschaftlich ruinierte. So sollten ehemalige Plantagenbesitzer mit einer Summe von 150 Millionen Gold-Francs abgefunden werden. Von 1825 bis 1947 wurden umgerechnet 22 Mrd. Dollar an Frankreich überwiesen. Das trieb das Land in den Ruin, eine Reihe von Diktatoren plünderten die Staatskassen noch zusätzlich aus. Ironischerweise will nun ausgerechnet der korrupte Ex-Diktator Jean-Claude Duvalier Geld an die Erdbebenopfer überweisen, dessen Clan die Bevölkerung mit Privatmilizen terrorisiert hatte. Sein auf 900 Millionen Dollar geschätztes Vermögen soll er allerdings größtenteils verschwendet haben, nur ein kleiner Teil wurde auf Schweizer Konten eingefroren und nach Haiti überwiesen. Auch dieser Diktator wurde in Frankreich mit offenen Armen empfangen, allerdings lebt er bescheiden in einem Arbeiterviertel und hat keinen Zugang mehr zu seinen Konten.
Neben der Hilfskampagne für das Land wird derzeit auch ein Marshallplan erwogen, mit dem Haiti nach den Rettungsaktionen nachhaltig geholfen werden soll. Sicherlich eine sinnvolle Idee, wenn daraus nicht neue Abhängigkeiten entstehen. Derzeit benötigen viele Hilfsorganisationen noch Spenden, um Verletzte zu behandeln, Überlebende mit Lebensmitteln zu versorgen und die Häuser wieder aufzubauen. Wer nach der richtigen Organisation sucht, der er eine Spende überweisen möchte, sollte sich die Empfehlungen der DZI ansehen. Die deutsche Organisation vergibt ihr Siegel an professionelle Organsationen, deren Verwaltungskosten sich im Rahmen bewegen und die den Verbleib der Gelder korrekt nachweisen.

Dienstag, 5. Januar 2010

Umstrittene Geldspritze für französische Onlinemedien

Biss ließen die meisten französischen Journalisten schon immer vermissen, wenn es um Kritik an der Regierung oder an politischen Entscheidungen ging. Wer einmal hinter die Kulissen geblickt hat, kann sich das erklären. Viele Journalisten haben ihre Ausbildung an den gleichen Kaderschmieden erhalten, wie die Amtsträger und wichtige Beamte. Gleich nach dem Namen folgt bei Vorstellungen der stolze Nachtrag "Enard", wie sich die Absolventen der Grande Ecole nennen. Der Einstieg von Großindustriellen in den Mediensektor in den vergangenen Jahren war der freien Berichterstattung auch nicht gerade förderlich. Nun haben die Medien zudem die bedenkliche Entscheidung getroffen, Staatshilfen der Regierung anzunehmen. 900 Millionen Euro investiert der Staat in die Unterstützung der Medien. Davon sollen zwischen Ende 2009 und 2011 jeweils 20,5 Mio. an Onlinemedien gehen.
Zwar erhalten die traditionellen Zeitungen und das Fernsehen den größten Teil des Kuchens - und zwar ohne den jeweiligen Betrag bekannt zu geben. Doch die größte Kritik prasselt auf die Informationsseiten im Internet ein, die bisher als unabhängige Berichterstatter galten. 64 von ihnen hatten Hilfen beantragt, unter anderm rue89 (249.000 Euro), mediapart (200.000 Euro) und Slate (199.000 Euro). Die Gewerkschaft der Internetmedien Spiil hatte sich für eine Gleichbehandlung in der Branche eingesetzt.
Einige der Internetaktivisten, wie @rrêt sur image, lehnen die Annahme von Staatsgeldern jedoch strikt ab. Wie sagt das Sprichwort so schön: Ne mords pas la main qui te nourrit!