Montag, 22. März 2010

Elba oder St. Helena?

Nach dem erdrutschartigen Sieg für die Regierungspartei UMP bei den Regionalwahlen kommentiert Le Nouvel Observateur "SarKo!". Noch gelungener fand ich allerdings den Titel eines Blogs auf Mediapart: Elba oder St. Helena lautete dieser. Auf die beiden Inseln wurde Napoleon einst verbannt. Auf Elba blieb er allerdings nur rund ein Jahr, St. Helena im Südatlantik dagegen war seine Endstation, wo er auch starb.

Mittwoch, 17. März 2010

Élections régionales - Verhandlungen für zweiten Wahlgang

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Erst im zweiten Wahlgang der Regionalwahlen wird sich in den meisten der 22 Regionen Frankreichs und in den Überseegebieten entscheiden, welche Gruppierungen den Sieg davon tragen. Im ersten Wahlgang hatten die Sozialisten mit linken Partnern landesweit 29 Prozent der Stimmen gewonnen, die Partei des Präsidenten Nicolas Sarkozy blieb drei Prozentpunkte hinter ihnen zurück. Europe Écologie, die Grünen, erreichten zwölf Prozent. Doch auch die Front National kam auf über zehn Prozent.
Die Mehrheit der Franzosen entschied sich allerdings für das Nichtwählen, nur 46,4 Prozent der Bürger stimmten ab.
Neben dem Verdruss über die aktuelle Politik und die mangelnden Alternativen dürfte auch der beschränkte politische Handlungsspielraum der Regionen zu dem Desinteresse geführt haben. Die Regionen haben weit weniger Befugnisse als die deutschen Bundesländer. Zwar erhielten sie im Dezentralisierungsgesetz von 1982 den Status einer Gebietskörperschaft. Doch ihre Kompetenz beschränkt sich auf die Raumplanung, die Berufsbildung, den Bau und Unterhalt von "lycées", die Hochschulpolitik (teilweise) und den regionalen Schnellverkehr. Seit 2004 koordinieren sie auch in Bereichen der Gesundheitspolitik und der Wirtschaftsförderung. Bei den "Régionales" werden die Mitglieder der jeweiligen "Conseil Régional" gewählt, die dann aus ihrem Kreis einen Präsidenten und Vizepräsidenten küren. Im ersten Wahlgang kamen in den meisten Regionen noch keine absoluten Mehrheiten zustande, deshalb findet am kommenden Sonntag ein zweiter Wahlgang statt. Alle Parteien, die mindestens zehn Prozent der Stimmen erreicht haben, können antreten und sich verbünden. In den meisten Fällen haben sich nun die Sozialisten und die Grünen zusammen geschlossen. Die stärkste Gruppierung besetzt einen Teil der Sitze im Conseil Régional, ein weiterer Anteil wird proportional nach dem Verhältniswahlrecht besetzt.

Sonntag, 14. März 2010

Comment-dire: Béni-oui-oui?

In Parteien ist die Spezies häufig anzutreffen, natürlich auch in Unternehmen. Die "béni-oui-oui", was so viel wie "Jasager" bedeutet, Leute, die alles abnicken. Stalinistisch geführte Parteien (faschistischen sowieso), wo  Wahlergebnisse von 100 Prozent auch ohne Fälschung zustande kamen, lebten von ihnen. Doch auch heute ist das Duckmäusertum verbreitet. Woher der Begriff kommt, ist nicht ganz klar. In Internetforen wird darüber spekuliert, dass "béni" aus dem Arabischen kommt und von Sohn abgeleitet wurde, das doppelte Oui dagegen ist eindeutig französisch. Das Wort soll während der Kolonialzeit entstanden sein. Hier noch die Erklärung des Trésor de la langue francaise.

Samstag, 13. März 2010

Letzter Vorhang für Jean Ferrat

Sein Lied "nuit et brouillards" wurde von den Radiostationen nie gespielt. Jean Ferrat gedenkt in diesem Chanson der Deportierten, die in Güterwaggons gepfercht und in Konzentrationslager verschleppt wurden, so wie sein Vater. Der wurde nach Auschwitz deportiert, als der kleine Jean Tennenbaum gerade elf Jahre alt war. Der Junge wurde von Kommunisten vor dem sicheren Tod gerettet, das vergass er ihnen nie. Ein Leben lang hatte er zwei Leidenschaften: das Chanson und die Politik. Der Sänger verstarb heute, am 13. März im Alter von 79 Jahren. Er gilt als einer der letzten großen Chansonniers.
Zunächst hatte er als Hilfsdrogist gearbeitet, um seine Familie nach dem Tod des Vaters mit durchzubringen. In den Fünfziger Jahren hat er seine ersten Auftritte und Erfolge, wie "Yeux d´Elsa". Er wird außerdem Anhänger der Kommunistischen Partei Frankreichs, ohne jedoch zu den stalinistischen Ja-Sagern zu gehören. Als der damalige PCF-Generalsekretär Georges Marchais 1980 eine "alles in allem positive Bilanz des Sozialismus in den  kommunistischen Ländern zieht, reagiert er mit seinem kritischen Chanson "Bilan", er verurteilt den Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag 1968 in "Camerade".Einige Jahre danach wird es stiller um ihn, er zieht in seine neue Wahlheimat, das Ardèche, das er in "Montagne" besingt. Er vertont in dieser Zeit Louis Aragon. Auch abseits des Showgeschäfts und trotz spärlicher Auftritte im Fernsehen, waren seine Lieder bekannt und erfolgreich. Doch gerade sein politisches Engagement stieß auch auf Kritik. Mehr über Leben und Werk bei Wikipedia.

Sonntag, 7. März 2010

Das Wort zum Sonntag: Vorratsdatenspeicherung

Die Übersetzung von zusammengesetzten deutschen Wortmonstern ist eine Herausforderung. Die "Vorratsdatenspeicherung" besteht sogar aus drei aneinandergestückelten Worten. Der schöne Begriff wurde 2007 Teil der deutschen Sprache, als ein gleichnamiges Gesetz erlassen wurde. In dieser Woche stufte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz jedoch als verfassungswidrig ein.
Beim Übersetzen der Bandwürmer ist es legitim, einen Teil wegzulassen. Ein Blick in französische Medien hilft, Le Nouvel Obs hat das Gesetz "une loi sur la conservation de données" benannt. Das ist die geschickteste Übertragung, da die "conservation" der "Speicherung auf Vorrat" sehr nahe kommt. Andere Medien sprechen von einer "stockage de données", das wäre allerdings nur eine Datenspeicherung. Naheliegender wäre eine Umschreibung, wie beispielsweise "rétention de données pendant six mois".

Donnerstag, 4. März 2010

Historisches Epos Henri IV - Kurzkritik

Es wirkt so, als habe der Regisseur Jo Baier nach einem Rezept gesucht, um alle Zielgruppen zufrieden zu stellen. Man nehme ausgiebige Kampfszenen, viel Liebesgeflüster mit nachfolgenden Sexszenen und historisches Dekor, besetze die Hauptpersonen mit deutschen und französischen Berühmtheiten. Acht Jahre lang arbeitete die Mannschaft an dem Epos, das 20 Millionen Euro gekostet hat.
Das Ergebnis fand ich eher enttäuschend. 150 Minuten dauert der Film und hat die eine oder andere Länge.
Das Drehbuch hat Jo Baier nach dem Roman von Heinrich Mann verfasst und klebt bedauerlicherweise an der chronologischen Fassung. Die ist sicher geeignet, kleine Gedächtnislücken aus dem Geschichtsunterricht zu schließen. Besser hätte mir ein anderer Blickwinkel gefallen, ein größerer Spannungsbogen und eine überraschende Wendung. Allein der Werdegang von Henri von Navarra bis zu seinem Tod durch einen Attentäter ist schließlich in jedem Geschichtsbuch nachzulesen, den zum roten Faden der Geschichte zu machen, erscheint etwas einfallslos.
Historiker streiten beispielsweise darüber, ob die Gattin Marie de Medici die alleinige Auftraggeberin für den Mord an Henri IV war. Möglicherweise hätte das einen Ansatzpunkt gegeben. Neben der etwas misslungenen Konstruktion fand ich die langwierigen Kampfszenen der verschiedenen Schlachten geradezu ärgerlich. Gut gelöst war die Darstellung der Bartholomäusnacht, in einer Szene kommt das Blut zur Tür hineingelaufen.
Etwas kurz wurden die Überzeugungen und Handlungen des Humanisten Henri IV ausgeleuchtet. Die Unterzeichnung des Ediktes von Nantes wurde gezeigt, das hätte man ein wenig ausbauen können.
Von den Schauspielern haben vor allem Ulrich Noethen als Karl IX. , Arnelle Deutsch als Margot überzeugt. Julien Boisselier mimte als Henri IV immerhin den Verführer glaubwürdig. Sehr viel Mühe haben die Filmemacher auf die Kostüme und die Räumlichkeiten verwandt. Das mittelalterliche Paris mit seinen engen Gassen, die unwirtliche Wohnung im Louvre wirkten authentisch.

Montag, 1. März 2010

Bauboom im Überschwemmungsgebiet am Atlantik mit tragischen Folgen

In Sekunden zerbröselten Dämme, Straßen und Brücken. Wassermassen verwüsteten Hafenanlagen, schleuderten Yachten wie Kinderspielzeug durch die Luft, lief in Keller, Garagen und ganze Einfamilienhäuser. Das Sturmtief Xynthia vor allem den Küstenstreifen am Atlantik schwer verwüstet. "Es war wie eine Apokalypse", berichtet ein Augenzeuge.
Bis Montag Nachmittag war eine Zahl von 51 Todesopfern bekannt, trotz ganztägiger Warnungen von Méteomedia vor dem Sturm. Vor allem in den Départements Vendée und Charente Maritime wird nun über die künftige Bauleitplanung diskutiert. In den beiden Orten mit den meisten Todesopfern Aiguillon-sur-Mer und La-Faute-sur-Mer sind die Siedlungen immer weiter ans Meer herangerückt. Selbst in besonders niedrig liegenden Überschwemmungsgebieten, die nur durch einige Dünen vom Strand getrennt sind, wurde eifrig gebaut. Schon seit Jahren wurde darüber kontrovers diskutiert. Doch die Allianz der Immobilienwirtschaft mit expansionwilligen Lokalpolitikern setzte sich über alle Zweifel hinweg. Ein neuer Aktionsplan gegen Risiken soll künftig den Bau neuer Häuser in den gefährdeten Gebieten verbieten. In weiteren, dahinter liegenden Zonen, sollen die Gebäude erhöht werden. Viele der Toten wurden Nachts in ihren Häusern vom Wasser überrascht und konnten sich nicht mehr in Sicherheit bringen.