Freitag, 29. Januar 2010

Häuserkampf an der Place des Vosges


Wer in Paris schon einmal eine Bleibe gesucht hat, kennt Anzeigen wie diese: "Geräumige lichtdurchflutete Zweizimmerwohnung, 12 Quadratmeter, Toilette auf dem Hof für 600 Euro monatlich", dann gäbe es laut der Anzeige im Fenster des Immobilienbüros noch ein tolles Schnäppchen zu kaufen "neun Quadratmeter, keine Fenster für nur 130 000 Euro". Mit Galgenhumor kämpft eine Handvoll Aktivisten des Kollektivs Jeudi Noir seit einigen Jahren gegen die triste Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Makler und Hauseigentümer ausnutzen, um auch die letzte schäbige Dachkammer für eine Unsumme zu vermieten. Als Clowns verkleidet, besuchen die Aktivisten Immobilienmessen, rufen bei Wohnungsbesichtigungen von ähnlich trostlosen Löchern Happenings aus und "beschlagnahmen" leerstehende Immobilien.
Auf ihrem Blog berichten die Mitglieder von Jeudi noir von ihrer jüngsten, spektakulären Aktion gegen die Wohnungsnot. Die 30 Mitglieder der Gruppe: Studenten, Arbeitslose und Beschäftigte mit kleinen Einkommen haben sich ausgerechnet am noblen Place des Vosges niedergelassen. Seit Oktober haben sie dort ein prächtiges 400 Jahre altes Palais besetzt, in dem einst die Marquise de Sévigné geboren wurde. "Das Gebäude steht bereits seit einem halben Jahrhundert leer und es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich dies so bald ändern könnte", machen die Aktivisten geltend, die mit ihrer Aktion auf die Wohnungsnot und die Untätigkeit der Politik hinweisen wollen.
Das Schlösschen gehört einer 87-Jährigen Bankierstochter, die im Altersheim lebt und seit zwei Jahren entmündigt ist. Ihre Vertreter haben mittlerweile einen Räumungsbescheid erwirkt. Die alte Dame hatte die Besetzer sogar besucht, ebenso wie Politiker aller Parteien. Die noble Adresse an der Place des Vosges bringt den Besetzern mediale Aufmerksamkeit. Mit seinen frühbarocken Palästen gilt der unter Heinrich IV. im 17. Jahrhundert angelegte Platz als einer der schönsten in der französischen Hauptstadt. Einst hatten Richelieu, Victor Hugo und Georges Simenon hier residiert. Heute zählt diese Adresse zu den teuersten in Paris - ein einziger Quadratmeter kostet 20 000 Euro. Teuer dürfte das Wohnen auch für die Schlossbesetzer werden, das Gericht hatte sie zur monatlichen Zahlung von 25 000 Euro verdonnert und einen Räumungstitel erlassen. Doch ob die Vertreibung unter Beobachtung der Medien mitten im Winter durchgesetzt wird, darf man bezweifeln.
Hier noch zwei interessante Artikel über Jeudi noir: Artikel Süddeutsche und Le Monde.

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