Samstag, 13. Februar 2010

Baguette, Bordeaux-Wein, Baskenmütze - Identität verzweifelt gesucht


Den bisher besten Vorschlag für die französische Identitätssuche machte in dieser Woche die Süddeutsche Zeitung: "Man nehme Baguette und Baskenmütze, gebe Camembert und Café au lait dazu, würze mit reichlich Napoléon-Mythos sowie ein bisschen Edith-Piaf-Kult, gieße das Ganze zu den Klängen der Marseillaise mit Champagner auf - und heraus kommt Frankreich", schrieb Stefan Ulrich. Ein treffender Kommentar zu der bizarr anmutenden Diskussion. Sie erscheint wie ein Aufguss der ebenso unsäglichen Debatte über die deutsche Leitkultur, die im Wahlkampf von den deutschen Konservativen (CDU) angestoßen wurde.
Auch in Frankreich stehen die Regionalwahlen bevor. Die konservative UMP, die Partei des Präsidenten Nicolas Sarkozy erwartet einen Dämpfer. Dessen Halbzeitbilanz fällt eher durchwachsen aus. Als selbsternannter "Präsident der Kaufkraft" hat er auf ganzer Linie versagt. Wichtige Vorhaben, wie die Ökosteuer scheiterten am Votum des Verfassunggerichtes. Auch der Versuch, seinem Sohn Jean einen wichtigen Posten zuzuschanzen und die Rolle beim Clearstream-Prozess ließen seine Umfragewerte rapide sinken. (Hier eine Bilanz der Friedrich-Ebert-Stiftung zur ersten Hälfte seiner Amtszeit:  "Halbzeitblues"  .
So bliesen die Parteistrategen zur Gegenoffensive. Seit dem Herbst laufen in allen Départements Diskussionen über die nationale Identität, auf einer Internetseite wurde intensiv diskutiert. Einige der Beiträge lassen vermuten, dass die Partei das rechte Randspektrum mobilisieren könnte.
Als Ergebnis der Diskussionen sollen nun einige Rituale eingeführt werden, die doch sehr an ostdeutsche Fahnenappelle erinnern. So soll die französische Fahne an den Schulen wehen und die Charta der Menschenrechte in den Klassenzimmern aufgehängt werden. Einmal jährlich soll die Marseillaise gesungen werden. Schüler erhalten einen Ausweis für junge Bürger, um als "Staatsbürger" geschult zu werden. Die DDR lässt grüßen! Begeisterte Staatsbürger hat die dortige Staatsbürgerkunde nämlich kaum hervor gebracht.
Die Mehrheit der Franzosen lässt die kollektive Sinnsuche ihrer Politiker ohnehin völlig gleichgültig. Eine TNS Sofres Umfrag ergab, dass sie die "Sprache, Kultur, Meinungsfreiheit, Geschichte und Gleichberechtigung" als wichtigste Bestandteile des französischen Wesens sehen.
Foto: Rainer Sturm/pixelio

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