Mittwoch, 30. September 2009

Warum der Journalist von Le Monde Mustapha Kessous seinen Vornamen verschweigt - Erfahrungen mit dem alltäglichen Rassismus

Lang hat er stillgehalten und die alltäglichen kleine Demütigungen ertragen, die Blicke, die verletzenden Bemerkungen und die offenen rassistischen Angriffe. Doch als der französische Einwanderungsminister kürzlich einem Parteifreund mit magrebinischen Wurzeln angeblich scherzhaft erklärte, einer von denen gehe ja noch, nur in Massen dürfen sie nicht auftreten, da war bei Mustapha Kessous das Maß des Erträglichen überschritten. Der Redakteur schrieb sich in einem langen persönlichen Bericht all die Verletzungen und Ungerechtigkeiten der vergangenen Jahre von der Seele und löste damit eine heftige Debatte aus.
Auch Mustapha Kessous musste einen der angeblichen Scherze des Ministers ertragen. "Haben Sie ihre Papier dabei", fragte der lächelnd bei einem Interviewtermin - natürlich ein gelungener Scherz.
Schon in der Schule, in einer katholischen Einrichtung in einem guten Viertel von Lyon, bekam der Sohn einer algerischen Mutter zu hören, er solle in sein Land zurückkehren, auch von Lehrern. In der Journalistenschule fragten ihn die Mitglieder der Prüfungskommission, ob er Muslim sei und ob er denn bei der Zeitung Le Monde sei, weil die "einen Araber gebraucht hätten".
Eigentlich dachte Mustapha, mit einer Stelle bei der großen Tageszeitung und einem Presseausweis seien die Probleme vorüber. Doch nach wie vor erlebt er, dass die Vorurteile schwerer wiegen. So wurde er bei der Recherche zu einem Kriminalfall selber als Verdächtiger festgenommen. Gelegentlich bekommt er zu hören, man spreche nicht "mit Arabern". Bei der Tour de France wurde sein Kollege gefragt, ob Mustapha der Chauffeur sei. Selbst die Zeitung Le Monde wurde nach der Einstellung des Redakteurs angegriffen, sie beschäftige "Fixer", der durch die Banlieues führe. Meist meldet sich der Redakteur einfach nur mit seinem unverdächtig klingendem Nachnamen, um nicht wieder auf diese unangenehmen Reaktionen zu stoßen.
Fast noch schmerzhafter sind die Erfahrungen ohne den Presseausweis im Privatleben. Wohnungen für die er sich interessiert, sind plötzlich nicht mehr frei. Ein angesagter Club, in den er seine Schwester zu ihrem 40. Geburtstag einladen wollte, wies ihn ab. Doch die größte Demütigung sind plötzliche Ausweiskontrontrollen aus heiterem Himmel. Selbst mit seiner 60-Jährigen Mutter musste er sich nach Waffen abtasten lassen. Er hat eigentlich nur einen Wunsch, als ganz normaler Franzose angenommen zu werden, trotz seiner Hautfarbe, trotz seines Vornamens. Dass der Fall kein Einzelfall ist, zeigt die Flut von Zuschriften, die heute auf einer ganzen Seite erschienen sind. Trotz der Antidiskriminierungsgesetze muss die Einwanderungsgesellschaft, übrigens auch in Deutschland, noch viel hinzulernen.




Erfahrungen mit dem alltäglichen Rassismus

1 Kommentar:

  1. Mein Schwager, geboren in Sachsen, aufgewachsen in Sachsen, mit sehr sehr entfernten ungarischen Wurzeln, wurde zu DDR-Zeiten in einer Gaststätte mit deutlichen Bewegungen darauf hingewiesen: Wir haben keine Kännchen, nur Tassen, wir haben keine Kännchen, nur Tassen ... Der alltägliche Rassismus ist überall präsent. Auch meine Kinder haben in der Schule das Lied gelernt: "Alle Kinder lernen lesen, Indianer und Chinesen ..." und niemand findet etwas dabei ...

    AntwortenLöschen